18. April 2017 Neuigkeiten, Startseite

Erklärung: Wir verstehen nur Bahnhof!

Pressemitteilung vom Bündnis Stadtherz   Für eine soziale Stadtentwicklung rund um den Hauptbahnhof in einer Stadt für alle.


Der Hamburger Hauptbahnhof und die ihn umgebenen Quartiere Altstadt, St. Georg und das Münzviertel sind das Herz unserer Stadt. Es schlägt für viele unterschiedliche Menschen, die hier ankommen, durchreisen, zwischenhalten, abfahren, arbeiten, einkaufen, wohnen und leben. Der Bahnhof und sein Umfeld haben sich in der jüngeren Vergangenheit stark verändert. Seit einigen Jahren beobachten wir Besorgnis erregende Entwicklungen, die im Wesentlichen von der profitorientierten Stadtentwicklung durch Politik, Verwaltung und Immobilienwirtschaft ausgehen.


In dieser Erklärung versammeln wir die Anlässe unserer Sorgen und stellen Forderungen an die Verantwortlichen unserer Stadt. Die Weichen müssen schnell für eine andere, eine soziale Stadtentwicklung gestellt werden – bevor der Zug abgefahren ist!



1. Was die Privatisierung öffentlicher Liegenschaften und ihre profitorientierte Entwicklung für Folgen haben, ist am Bieber-Haus abzulesen. Nachdem der damalige schwarze Senat das am Hauptbahnhof gelegene Gebäude 2006 an die Alstria verkaufte, lässt die neue Eigentümerin die Immobilie grundlegend sanieren und setzte hierfür 2016 das KIDS – eine Anlaufstelle für Straßenkinder vom basis & woge e.V. – vor die Tür. Das Straßenkinderprojekt ist seitdem in einem Containerprovisorium auf einem Parkplatz am Holzdamm untergebracht und sieht einer unsicheren Zukunft entgegen.

Ein weiteres Beispiel ist das Apartmenthaus Neuer Hühnerposten im Münzviertel. Der Neubau wurde vom Projektentwickler Otto Wulff auf einem ehemals städtischen Grundstück am Schultzweg realisiert und wechselte mit der Hamburg Trust und der AviaRent bereits zweimal die Besitzerin. Die Apartmentpreise beginnen aktuell bei 670 Euro für 19 qm (35,26 Euro/qm).

Auch auf dem privatisierten Areal der ehemaligen Schule für Hörgeschädigte gegenüber, auf dem in den vergangenen Jahren das temporäre Winternotprogramm mit 400 Schlafplätzen untergebracht war, soll neuer Wohnraum geschaffen werden. Wie teuer der sein wird, will der Investor Dietrich von Stemm von der Hanseatischen BauKonzept (HBK) nicht verraten. Nur so viel: „Die Miete wird sich an den Marktgegebenheiten orientieren“.

Statt aus diesen Fehlentwicklungen zu lernen, plant der derzeitige rot-grüne Senat den städtischen City-Hof in der Altstadt zu verkaufen und ihn vom Projektentwickler AUG. PRIEN abreißen und durch eine hochpreisige Neubebauung ersetzen zu lassen. So sind mit den dort ansässigen sozialen Einrichtungen Stützpunkt und Krankenstube für Obdachlose vom Caritasverband für Hamburg e.V. zwei weitere wichtige Anlaufstellen in Hauptbahnhofnähe von der Verdrängung bedroht.
 
Mit der Privatisierung der letzten öffentlichen Liegenschaften verkauft der Senat auch die zukünftige Handlungsfähigkeit der Stadt und fördert Spekulation und somit immer weiter steigende Immobilienpreise.
 
Deshalb muss der Ausverkauf unserer Stadt und ihre Entwicklung nach diesem spekulativen Muster aufhören!



2. Die Verdrängung von Menschen findet nicht nur aufgrund steigender Mieten in den Häusern statt, sondern auch durch Privatisierungen, Kommerzialisierung, bauliche Maßnahmen und Repressionen in den Räumen dazwischen. Betroffen sind vor allem soziale Gruppen, die ihren Aufenthalt nicht über Kaufkraft legitimieren und/oder nicht den bürgerlichen Vorstellungen entsprechen.
 
Seitdem der rote Senat 2012 der Deutschen Bahn das Hausrecht auch für die überdachten Flächen des Bahnhofsvorgeländes übertragen hat, patrouilliert dort die Bahnwache und vertreibt alle, die nicht ins Bild passen. Da diese Art der Verdrängung kaum sichtbar wird und die Vertriebenen sich nicht dagegen wehren können, bleibt Kritik an diesem Umgang mit unseren Mitmenschen meist aus.

Auch Obdachlose sind zunehmend von Verdrängung bedroht. Besonders traurig ist dabei, dass diese Vertreibung von den Menschen ausgeht, die eigentlich dafür Sorge tragen müssten, dass niemand auf der Straße lebt: die Verantwortlichen aus Politik und Verwaltung. Doch anstatt die Obdachlosen von der Straße zu holen, ihnen würdige Unterkünfte anzubieten, werden sie – aus den Augen, aus dem Sinn – hin und her durch unsere Stadt getrieben.
 
Es ist sehr bedenklich, dass den sozialen Gruppen, die es ohnehin schwer haben, das Leben doppelt – und mit der Verdrängung ihrer wichtigen Anlaufstellen sogar dreifach – schwer gemacht wird.

Deshalb muss die Verdrängung von Menschen aus den Räumen unserer Stadt ein Ende haben!



3.    Die profitorientierte Entwicklung von Sanierungs- und Neubauvorhaben durch private Investoren wird dem tatsächlichen Bedarf der Menschen nicht gerecht. In den Lagen rund um den Hauptbahnhof fehlt es an bezahlbaren und gemeinnützigen Räumen. Nicht nur zum Wohnen, sondern auch zum Leben und Arbeiten, für unterschiedliche Menschen mit verschiedenen Lebensentwürfen und in verschiedenen Lebensphasen.

So sehen wir einen konkreten Bedarf an Flächen für soziale und soziokulturelle Nutzungen, niedrigschwellig zugängliche Angebote für Jugendliche, inhaber*innengeführten Einzelhandel, Gastronomie, Nahversorgung, kleinteiliges Gewerbe, geförderte Arbeitsräume für Künstler*innen, Atelierwohnungen, Wohnraum für Auszubildende sowie Studierende und solidarische Wohnformen. Zudem fehlt es an Freiräumen und Nischen im Umfeld des Hauptbahnhofs. Es gibt kaum Plätze mit Aufenthaltsqualität oder Flächen, die zur temporären Unterbringung von Menschen in sozialen Notlagen – wie Obdachlose im Winter oder geflüchtete Menschen – genutzt werden können.

Ein breites attraktives Angebot, drinnen wie draußen, stärkt und fördert das Miteinander im Quartier, schafft kurze Arbeitswege und steigert die Qualität des Lebensumfelds, für die Bewohner*innen und alle Gäste.

Deshalb muss sich die Entwicklung unserer Stadt am Bedarf der Menschen und nicht am Profitstreben der Investoren orientieren!



4.    Eine ergebnisoffene Beteiligung der Bürger*innen bei der Entwicklung unserer Stadt findet in der Regel nicht statt. Oder zu spät – nachdem die grundlegenden Dinge „von oben“ entschieden wurden. Formate wie „Anhören und Mitreden“ werden von den Verantwortlichen als Beteiligung verstanden. Dabei sind dies reine Informationsveranstaltungen ohne jegliche Möglichkeit zur Mitgestaltung unserer Stadt.

Beim City-Hof ist der Zug noch nicht abgefahren, der Drops noch nicht gelutscht, die städtische Liegenschaft noch nicht veräußert. Noch kann der Senat Abstand von seinen Verkaufsabsichten und Plänen für eine Neubebauung des Areals am Klosterwall nehmen – bei „Phase 0“ beginnen und die Bürger*innen bei der Entwicklung dieses wichtigen Orts, der viele Chancen bietet, von Anfang an einbinden und ergebnisoffen mit ihnen über Vor- und Nachteile von Abriss oder Erhalt diskutieren.

Auch für die Einrichtung eines  Soziokulturellen Zentrums im alten Schulgebäude auf dem Gelände der ehemaligen Schule für Hörgeschädigte – wie es 2014 in dem Kaufvertrag zwischen Stadt und HBK festgeschrieben wurde – ist es noch nicht zu spät. Da sich der Investor nicht an diese Vereinbarung halten will, fordern wir den Senat auf, das Gebäude zurückzukaufen und in Erbpacht an den Quartierträgerverein Kunstlabor naher Gegenden e.V. (KuNaGe) oder an eine noch zu gründende gemeinnützige Genossenschaft zu vergeben.

Nur mit einer echten Bürger*innenbeteiligung auf Augenhöhe kann der besagte Bedarf, können die realen Bedürfnisse ermittelt, Wünsche produziert, die Identifizierung mit unserer Stadt gestärkt und Konflikte vermieden werden. Rund um den Hauptbahnhof gibt es zahlreiche Gremien, Vereine und Initiativen, die ihre Beteiligung und eine Stadtentwicklung „von unten“ einfordern, aber nicht gehört bzw. ernst genommen werden.

Deshalb müssen die Menschen bei der Entwicklung unserer Stadt ernsthaft beteiligt statt nur über diese informiert zu werden!



Unsere Stadt ist keine Ware und kein Spekulationsobjekt. Sie ist ein Lebensraum und liegt uns am Herzen. Deshalb kämpfen wir für eine soziale Stadtentwicklung.

Bündnis Stadtherz: AStA der HafenCity Universität Hamburg | Berufsverband bildender Künstlerinnen und Künstler Hamburg e.V. | City-Hof e.V. | Einwohnerverein St. Georg von 1987 e.V. | fux eG |  Verein Gängeviertel e.V. | LandesAstenKonferenz Hamburg | Netzwerk „Recht auf Stadt“ Hamburg | Stadtteilinitiative Münzviertel



Weitere Informationen:


www.buendnisstadtherz.org
www.facebook.com/BuendnisStadt<wbr></wbr>herz/



Pressekontakte:

Marco Alexander Hosemann
E-Mail: hosemann(at)buendnisstadtherz.org

Michael Joho
E-Mail: joho(at)buendnisstadtherz.org

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