Unser Konzept

Dies ist unser Zukunftskonzept für das Gängeviertel, das wir am 10. April 2010 der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) und allen interessierten Hamburgern vorgestellt haben. Es enthält unsere Motivationen und Ziele – warum und für wen wir das alles machen –, unsere Vorstellungen zur Nutzung der Gebäude sowie unser bauliches Konzept. Das Dokument ist die Grundlage für unsere weiteren Arbeitsschritte und die Verhandlungen mit der Stadt Hamburg. Eine noch hübschere Version gibt es hier als pdf.

 

 

 

Einleitung

Viele Jahre lang
standen die zwölf Häuser des Gängeviertels leer und vergessen am Rande der Innenstadt zwischen Gänsemarkt und Laeiszhalle. Sie waren erst dem Verfall preisgegeben und schließlich an einen Investor verkauft worden, der große Teile des historisch einzigartigen Viertels abreißen wollte.


Am 22. August 2009 sind wir, die Initiative „Komm in die Gänge“, angetreten, dem Gängeviertel eine Zukunft zu eröffnen. Wir haben ein Hoffest gefeiert an diesem Tag – und 3.000 Hamburger haben uns besucht. Das ist nun mehr als ein halbes Jahr her. Dieses war gefüllt mit Ausstellungen, Filmvorführungen, Lesungen, Konzerten und vielen Diskussionsveranstaltungen. Aus den 3.000 Besuchern sind in dieser Zeit mehr als 30.000 Gäste aus der ganzen Welt geworden. Gäste, die uns in unserem Tun bestätigt und kritisiert haben und von denen uns seitdem viele dabei helfen, das Quartier zu schützen und weiter zu entwickeln. Schon jetzt ist das Gängeviertel nicht mehr nur ein Gebäudeensemble, in dem Künstler ausstellen und arbeiten, sondern ein Raum für alle Bürger der ganzen Stadt. Und das soll erst der Anfang sein.

Wir hatten bereits im August vergangenen Jahres Ziele für das Gängeviertel. Wir sind nicht nur zum Spaß in die Gänge gekommen, sondern mit einem Plan für die Entwicklung des ganzen Quartiers. Nachdem die Stadt im Dezember beschlossen hatte, den Vertrag mit dem Investor aufzulösen, haben wir unsere Vorstellungen ausgearbeitet. Heute legen wir einen Gang zu und stellen unser Konzept für die Zukunft des Gängeviertels vor.


Was soll das Gängeviertel sein?
Wer soll dort wohnen leben und arbeiten?
Wie setzen wir unsere Vorstellungen um?
Wie werden wir das finanzieren?

Die Antworten auf den kommenden Seiten sind die Basis für unsere weiteren Arbeitsschritte und die Verhandlungen mit der Stadt Hamburg.

Dabei setzen wir auf Transparenz und Offenheit.

Wir übergeben dieses Dokument in gleicher Form der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU), der Presse und allen interessierten Hamburgern.

Ihr / Euer
altes und neues
Gängeviertel

 

Motivation

WESHALB WIR IN DIE GÄNGE GEKOMMEN SIND

Hamburg ist eine schöne Stadt,

doch das hat den Regierenden selten gereicht: Die Schönste und Strahlendste soll sie sein im internationalen Städtevergleich, ein Magnet für Konzerne und Touristen. Dieser Prämisse wird seit Jahrzehnten die Stadtentwicklung untergeordnet. Hamburg wurde zum Unternehmen umgebaut und als „Talentstadt” beworben, dann wurde die „wachsende Stadt” propagiert – mit dem Ergebnis, dass immer mehr Raum von Handel und teuren Wohnungen verschlungen wird. Die Stadt steckt Millionen in Großprojekte statt in Bauten, die den Bürgern Hamburgs zu Gute kommen. Grundstücke werden an Investoren vergeben, die einzig an Profit interessiert sind – und nicht am Wohl derjenigen, die mit ihren Projekten leben müssen. Krankenhäuser, öffentliche Gebäude, Grünanlagen und Freiflächen werden zu Höchstpreisen verkauft, um wachsende Haushaltslöcher zu stopfen. Dem lebendigen Gemeinwesen geht die Luft aus, es wird erstickt.


Inzwischen sind selbst die letzten Nischen und Freiräume gefährdet, für immer verloren zu gehen. Die Hamburger Innenstadt ist ein menschenunwürdiger Ort geworden, an dem nichts anderes möglich ist als Konsum und Event. Überall in der Stadt schwinden öffentliche Räume und alte Gebäude, an ihrer Stelle wächst glatte Investoren-Architektur. Glas, Stahl und Beton verdrängen für Stadtviertel charakteristische Bauten – und schlimmer noch: Menschen. Immer mehr finanziell schwächere Einwohner werden an den Stadtrand vertrieben. Weil Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt werden, der soziale Wohnungsbau stagniert und Mieten steigen. Hamburg wird luxussaniert, verdichtet und nach Einkommen aufgeteilt.


Diese Entwicklung betrifft auch Künstler.


Denn auch Räume für die freien Szenen werden immer seltener. Die abseitigen, unsanierten Orte, die noch bezahlbaren Räume verschwinden. Und das, obwohl die Stadt mehr als genug Leerstand zu bieten hat. Gleichzeitig werden Fördermittel gestrichen oder nur noch an Projekte vergeben, die sich von der Stadt zur Imagesteigerung nutzen lassen. Künstler sollen von Politik und Stadtplanung instrumentalisiert werden als Werkzeug zur „Aufwertung” von Stadtvierteln, als Durchlauferhitzer für Gentrifizierung. Sie sollen gezielt auf zu entwickelnde Stadtteile verteilt werden und dort eine neue Zwischenheimat finden – bis das nächste Quartier investorenfreundlich umgestaltet werden soll.


Da machen wir nicht mit. Wir wollen nicht dazu beitragen, gewachsene Nachbarschaften zu verdrängen und nach getaner „Arbeit“ weiterzuziehen. Der Widerstand gegen diese Politik hat uns in die Gänge gebracht zu einem Zeitpunkt, an dem der Unmut der Bürger an vielen Orten der Stadt sichtbar wurde. Denn wir sind nicht alleine: Viele Hamburger kämpfen in ihren Vierteln um Atelierräume, Freiflächen, öffentliche Räume oder bezahlbare Wohnungen. „Recht auf Stadt”: Das ist eine Forderung, die immer lauter wird. Unter anderem, weil die Stadt seit Jahren die Beteiligung der Einwohner an Entwicklungsprozessen unmöglich macht, Bürgerentscheide willkürlich vom Tisch fegt, Informationen vorenthält und die Zukunft Hamburgs hinter verschlossenen Türen plant.


Der Umgang der Stadt mit dem Gängeviertel passt in dieses Bild. Die Gebäude wurden trotz Denkmalwürdigkeit jahrelang dem Verfall preisgeben und letztlich zum Höchstgebot an einen Investor vergeben, dessen Planungen ein Zeugnis Hamburger Geschichte unwiederbringlich zerstört hätten. Als absehbar war, dass dieser zur Tat schreiten und die Häuser den Winter nicht überleben würden, sind wir am 22. August 2009 in die Gänge gekommen, haben sie besetzt und begonnen, mit der Stadt über ihre Zukunft zu verhandeln. Um das Viertel zu retten für die Bewohner Hamburgs. Um mitten in der Innenstadt ein Zeichen zu setzen – an einem Ort mit großer Vergangenheit, der keine Zukunft mehr haben sollte.


Wir sind die Initiative „Komm in die Gänge”. Wir sind Maler, Stadtplaner, Grafiker, Illustratoren, Köche, Designer, Sozialarbeiter, Gold- und Silberschmiede, Hilfsarbeiter, Fotografen, Architekten, Webdesigner, Elfenbeinschnitzer, Polsterer, Tischler, Gärtner, Dichter, Hartz IV-Empfänger, Projektentwickler, Altenpfleger, Geiger, Lehrer, Eventmanager, Wissenschaftler, Regisseure, Restauratoren, Autoren, Psychologen, Gas-Wasser-Installateure, Kameraleute, Installations-, Performance-, Konzept- und Lebenskünstler, Heilpädagogen, DJs, Streetartists, Bühnenbildner, Glasbläser, Musiker, Programmierer, Holz-, Stein- und Metallbildhauer, Beleuchter, Masseure, Dramaturgen, Pädagogen, Licht- und Nichtkünstler, Sattler, Schriftsteller, Medienkünstler, Studierende, Messebauer, Sinologen, Buchbinder, Stipendiaten, Einzelhandelskaufleute, Modedesigner, Sänger, Kindergärtner und Biogemüsehändler.


Wir sind viele und werden täglich mehr.
Wir sind die Stadt, denn:
Die Stadt sind wir alle.

 



Vision

WER WIR SIND, WAS WIR WOLLEN − UND FÜR WEN WIR DAS ALLES MACHEN

„Komm in die Gänge” ist nicht nur eine Initiative. Wir sind vor mehr als einem halben Jahr angetreten um mehr zu sein: ein offener, wirklich sozialer und kulturell vielfältiger Ort. Eine Bewegung. Eine gute Frage. Ein lauter Appell.


Über das wiederbelebte Gängeviertel hinaus haben wir uns verbunden. Mit Menschen, die in ihren Vierteln eigene Initiativen ins Leben gerufen haben und mit der ganzen Stadtöffentlichkeit. Wir haben eingeladen, zusammen zu kommen, aktiv zu werden und gemeinsam Antworten auf essentielle Fragen zu finden: Wie soll die Stadt aussehen? Wem soll sie gehören? Wie wollen wir miteinander leben? Das Gängeviertel ist zum Ort der Diskussion und der Teilhabe geworden, ein offenes Stück Hamburg – für die Besucher des sonntäglichen Zeitzeugen-Cafés genauso wie für uns Aktive, die sich den hilfsbedürftigen Häusern angenommen haben.


Offenheit ist ein zentraler Bestandteil unserer Idee von einem lebhaften innerstädtischen Quartier. Denn Stadt lebt nicht durch Grenzen und Ausschluss, sie lebt von Beteiligung und Bewegung. Stadträume brauchen Freiräume. Für kulturelle und soziale Entfaltung, für neue Stadt- und Lebenswirklichkeiten. Für Menschen, die miteinander leben und arbeiten wollen. Hierfür wird das Gängeviertel eine Plattform sein, ein Ausgangspunkt für ein anderes Verständnis von Stadt. Dabei werden die unterschiedlichsten Kunst- und Kulturansätze parallel existieren und sich gegenseitig befruchten – denn Beständigkeit und Wandelbarkeit sind uns gleichermaßen wichtig. Wir wollen dem ansässigen Glasbläser ebenso Raum geben wie der Istanbuler Künstlerin auf Studienreise. Wir wünschen uns außerdem, dass im Gängeviertel Menschen einen Ort finden, die nicht mehr zu träumen gewagt hätten, sich jemals eine Wohnung in der Innenstadt leisten zu können.


In den kommenden Monaten werden wir der Öffentlichkeit weitere Angebote machen: von einer gemeinsam nutzbaren Fotowerkstatt bis zu Grünflächen an der Speckstraße. Vom integrativen Gemeinschaftsatelier bis zur offenen Theater-Probebühne. Wir werden öffentliche Flächen mit ortsbezogenem Wohnen und Tätigsein verbinden. Das Viertel soll ein Möglichkeitsraum sein. Die Stadt soll endlich wieder von jenen gestaltet werden, die in ihr leben.


Unsere Vorstellung vom Zusammenleben ist geprägt von dem Wunsch, ein permanentes Experimentierfeld zu sein für neue Formen einer lebenswerten und gleichberechtigten Gemeinschaft. Die Bewohner sollen miteinander entscheiden, wie sie ihr Leben und ihr Umfeld gestalten wollen – in sozialen, kulturellen und ökonomischen Fragen. Wir haben Entscheidungsstrukturen entwickelt, in denen alle Aktiven ihrer Stimme Gehör verschaffen können. Grundsätzliches beraten wir in gesamtgemeinschaftlichen Gremien, Spezifisches in Arbeitsgruppen. Wir schaffen Atelierräume und Werkstätten, in denen die Bewohner des Viertels ihre künstlerischen und kulturellen Vorstellungen Wirklichkeit werden lassen können: Gemeinschaftsateliers, Individualräume und temporär zu nutzende Projektwohnungen. Wir sind in verschiedensten Berufen tätig und kompetent. Wir wirtschaften solidarisch, nachhaltig und ohne unser Leben der Gewinnmaximierung zu unterwerfen: Anteile verkaufter Kunstwerke, Spenden und alle Veranstaltungseinnahmen fließen in einen Topf. Daraus finanzieren wir Zukünftiges und weniger Einträgliches. Auch der Erhalt der Häuser und gemeinsame Projekte können somit anteilig getragen werden.


Vereinzelung und Verwertungsdruck setzt die Initiative „Komm in die Gänge” eine kollektive Idee entgegen, die auf gegenseitiger Unterstützung beruht und sich selbst tragen wird. Kunst und Leben sind für uns nicht getrennt voneinander denkbar. Die Bedingungen, die uns dies ermöglichen, wollen wir schaffen und langfristig erhalten – sozial, kulturell, räumlich und ökonomisch.

Unsere Vision der zukünftigen Entwicklung des Gängeviertels:


Offenheit und breite Zugänglichkeit für alle
Nicht nur zentrale Räumlichkeiten und Flächen sollen für die Öffentlichkeit zugänglich, nutzbar und barrierefrei erreichbar sein, auch die Möglichkeit zur Mitwirkung an der Entwicklung ist gegeben. Das Gängeviertel wird nie ein geschlossener Kreis sein.


Selbstbestimmung und -gestaltung des eigenen Lebensumfelds
Das Gängeviertel ist Ausdruck eines anderen Verständnisses von Stadtentwicklung und gesellschaftlicher Partizipation. Deshalb muss es von den Aktiven eigenständig entwickelt und betrieben werden.


Lebhafter Diskursraum für künstlerische und gesellschaftliche Fragen
Vielfalt der Lebensentwürfe und der kulturellen Perspektiven

Das Gängeviertel befördert die Vielfalt unterschiedlichster Lebens-, Arbeits-, und Kunstvorstellungen im direkten Miteinander. Es ist ein Modell für das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen.


Freiräume für künstlerische und kulturelle Entwicklung
Gemeinschaftliches Leben ohne Verwertungsdruck und gegenseitige Verdrängung

Das Gängeviertel will ein Ort für alle Bevölkerungsschichten sein. Das „Recht auf Stadt“ soll sich niemals nach finanzieller Leistungsfähigkeit richten. Das Viertel versteht sich als Antagonist zur Ökonomisierung der Innenstädte und weiter Lebensbereiche.


Wiederbelebung des Charakters des historischen Viertels
Das Gängeviertel wird in seiner Gesamtheit ein wahrnehmbares Beispiel des letzten Stücks Arbeiterarchitektur in der Innenstadt bleiben – und damit ein steter Kontrast zu seiner Umgebung.

 

Erhalt der historischen Gebäude


Das Gängeviertel ist ein städtebauliches und architektonisches Juwel, das wir retten und erhalten wollen. 350 Jahre Hamburger Baukultur sind hier mit eigenen Augen zu sehen und mit Händen zu berühren. Dieses Quartier ist einzigartig.

Es ist innerhalb der Innenstadt das letzte Vermächtnis der Menschen, die einst das ökonomische Rückgrat Hamburgs gebildet haben. Das Gängeviertel erzählt eine Geschichte – und es ist nicht die Geschichte der Großen und Bedeutenden: Grundrisse dokumentieren die historische Enge und das Elend der Lebensverhältnisse, an den Fassaden sind die Spuren der Kriege lesbar, und in den Häusern selbst sind Kostbarkeiten verborgen, die bei Begehungen mit dem Denkmalschutzamt entdeckt wurden: Türen und Beschläge aus dem 18. Jahrhundert, die ersten ultramarinblauen Tapeten, Eiskeller unter der Erde. Unter der Schier’s Passage verbergen sich gemauerte Gänge, die einst die Untergeschosse miteinander verbunden haben. Spuren in der Passage verweisen auf ein längst verschwundenes Gebäude. Das Gängeviertel hat Kriege, Revolution, Kahlschlagsanierung und die Vernachlässigung der vergangenen Jahrzehnte überlebt. Wir werden es schützen und mit ihm leben, weil es uns etwas bedeutet. Weil wir mehr darin sehen als seinen monetären Wert.

 

Räume für die Stadt

Integraler Bestandteil des Konzepts der Initiative „Komm in die Gänge” ist das Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten und Öffentlichkeit. Wir begreifen das Viertel als Gesamtprojekt: Gewerbetreibende, Kunstschaffende, Bewohner des Viertels und die interessierte Stadtöffentlichkeit sollen das Gängeviertel mitgestalten.

Um das wirtschaftlich zu ermöglichen, finanzieren sich die jeweiligen Angebote quer: Profis stehen für Laien ein, große Gewerbe für kleine und Miete zahlende Bewohner für vergünstigte soziokulturelle Flächen. In Verbindung mit zinsgünstigen Darlehen, einem hohen Maß an Eigenleistung und einer langfristig angelegten Finanzierungsstrategie bleibt das Projekt für die ganze Gemeinschaft wirtschaftlich tragbar und zukunftsfähig (siehe Kapitel 6).

Das Gängeviertel der Zukunft ist facettenreich und dennoch eine Einheit.

Es bietet:

Räume für Kunst und Kultur,
Räume für Soziales und
Räume für Wohnen und Arbeiten vor Ort.

 

Räume für Kunst und Kultur

Ein Ziel der Initiative „Komm in die Gänge” ist die Förderung von kreativen und künstlerischen Freiräumen. Deshalb werden wir Ateliers, Werkstätten, Wohnungen, Labore und offene Räume mit niedrigen Mieten schaffen.


Heterogenität und Vielseitigkeit zuzulassen, ist für einen interessanten, lebhaften und funktionierenden Kulturort „Gängeviertel” essentiell. Deshalb werden wir Orte schaffen, an denen unterschiedliche Kunstrichtung und Professionalisierungsgrade ineinander greifen bzw. nebeneinander bestehen können. Es soll in ihnen nicht nur Platz sein für professionelle Künstler, sondern auch für künstlerisch tätige Laien: Maler, Bildhauer, Streetart-, Konzept- und Installationskünstler, Literaten, Musiker oder Schauspieler sollen sich mit künstlerisch ambitionierten Kindern, Jugendlichen, Senioren, Menschen mit Behinderung, Studierenden oder Freiberuflern verzahnen.


Auch die Zusammenarbeit mit Hamburger Kunstinstitutionen wie dem Thalia Theater, dem Deutschen Schauspielhaus, der Kunsthalle, den Hochschulen, dem Museum für Hamburgische Geschichte und der Musikhalle soll weiter ausgebaut werden. Die Vermischung von Hoch-, Sub- und Populärkultur wird für alle Seiten eine Erweiterung ihres Horizonts bedeuten.Gleichzeitig will das Gängeviertel kein Gemischtwarenladen sein. Der Wunsch der Initiative „Komm in die Gänge“, einen niedrigschwelligen Zugang zur Kunst zu gewährleisten, trifft auf künstlerische Qualitätsansprüche. In diesem Spannungsfeld muss in Zukunft also zwischen verschiedenen inhaltlichen Ansätzen, Arbeitsweisen und Ansprüchen an Raumnutzungen vermittelt werden. Hierfür haben wir zwei Gruppen gebildet, die Kommunikationsprozesse und Entscheidungsfindungen unterstützen sollen: eine Koordinationsgruppe und eine Belegungskommission.

Die Koordinationsgruppe ist allen Aktiven zugänglich und stimmt die organisatorischen Rahmenbedingungen verschiedener künstlerischer Aktivitäten und Veranstaltungen im Gängeviertel miteinander ab. Dabei organisieren sich die jeweiligen Veranstaltungsorte unabhängig. Es gibt keine gesamtkünstlerische Leitung des Gängeviertels, jeder Ort gestaltet seine öffentlichen Räumlichkeiten selbst. Die eigenständige Arbeit in den einzelnen Häusern schafft Raum für unterschiedliche Schwerpunkte – etwa der Spezialisierung einer Galerie auf raumgreifende Installationen. Geplant ist zudem, ein bis zwei Mal im Jahr themengebundene Veranstaltungen durchzuführen, die das gesamte Viertel umfassen.

Die Belegungskommission soll die verschiedenen Raumnutzungen und die Raumvergabe transparent koordinieren und entscheiden. Sie ist gemäß unserer Nutzungstypologie (siehe Kapitel 4.2) besetzt. Zur Belegungskommission können externe Berater und Unterstützer sowie Personen aus unserer Verwaltungsstruktur hinzugezogen werden.

 

Räume für Soziales

Ein Charakteristikum der Initiative „Komm in die Gänge” ist die enge Verknüpfung von sozialen und künstlerischen Fragen und Aktivitäten. Wir wollen Kunst und Kultur nicht als etwas von Gesellschaft und Leben Abgesondertes denken, sondern dazu beitragen, dass sich Soziales und Künstlerisches wechselseitig befruchten. Hierfür sind Orte der Begegnung und des Austauschs nötig, die allen offen stehen. Deswegen werden wir in der „Druckerei” und der „Fabrik” Räume schaffen, die der ganzen Stadt ein Forum bieten. Für die Diskussion drängender gesellschaftlicher Fragen, für Seminare, zum Wissensaustausch und zur Begegnung. Räume, in denen Menschen zusammen kommen sollen, die sich ansonsten nie treffen würden.

Außerdem werden im Gängeviertel Räume für vielfältige freie Gruppen mit sozialem Schwerpunkt entstehen – von einem „Indymedia Center“ (Plattform für unabhängige Berichterstattung) über „Viva Con Agua” (Hilfe für Kuba) bis zum „Medibüro” (Büro für medizinische Flüchtlingshilfe). Menschen, die sonst nirgends ein Forum haben, sollen in der Innenstadt wieder einen Bezugsort finden.
Die Sinnhaftigkeit von zivilgesellschaftlichem politischem Engagement soll nicht nur für jene erfahrbar werden, die sich aktiv am Projekt „Gängeviertel“ beteiligen. Unter anderem wollen wir bei Kindern und Jugendlichen praxisnah Interesse an Politik, Gesellschaft, Stadt und Kunst wecken und werden deswegen regelmäßig Workshops und Schülerführungen durchführen. Das Gängeviertel ist aufgrund seiner zentralen Lage und Entstehungsgeschichte ein idealer Lernort für die Auseinandersetzung mit emanzipatorischen Prozessen sowie der Stadtgeschichte und -entwicklung.

Die Entwicklung dieser soziokulturellen Räume kann natürlich nicht im Rahmen eines starren Konzeptes vonstatten gehen, sondern nur prozessual, unter Beteiligung der Bürger und an den Bedürfnissen und dem Handeln der Menschen orientiert.


Außerdem ist offensichtlich, dass für ein derart umfangreiches soziokulturelles Vorhaben erfahrene und engagierte Akteure von Nöten sind. Deshalb freuen wir uns, dass sich der Initiative „Komm in die Gänge” bereits jetzt eine große Zahl von Personen angeschlossen haben, die eine entsprechende künstlerische als auch soziale Qualifizierung bzw. Berufsausbildung besitzen. Viele können aus ähnlich gelagerten Initiativen jahrelange Erfahrungen einbringen. Zukunftsweisend ist zudem die sehr gute, auch internationale Vernetzung, die von Künstlern und politisch Aktiven in Hamburg in den vergangenen Jahrzehnten aufgebaut wurde.

 

Räume zum Wohnen und Arbeiten

Die Initiative „Komm in die Gänge“ will Wohnen und Arbeiten an einem Ort ermöglichen und bezieht sich damit explizit auf die historische Nutzung des Gängeviertels. Sie wird verschiedene Typen von Räumen anbieten, die dies leisten: Atelier- und Stipendiaten-Wohnungen (befristete Ateliers) sowie reine Wohnräume, die in direkter Nähe zu Gewerbeflächen im Viertel liegen können. Jede und jeder – auch Menschen, die sich nicht als Künstler verstehen – soll die Möglichkeit haben, sich um Räumlichkeiten im Gängeviertel zu bewerben. Die Initiative will niemals zu einer nur um sich selbst kreisenden Künstler-Enklave werden. Wir wollen ein wirkliches Stück Stadt schaffen, das für alle offen und von Nutzen ist. Damit das soziokulturelle Konzept umsetzbar ist und der gemeinschaftliche Charakter des Viertels erhalten bleibt, soll das Wohnen im Gängeviertel direkt an ein dort verortetes Engagement gekoppelt sein. Niedrige Mieten werden es den Bewohnern ermöglichen, Zeit in die Pflege der Häuser, in die Betreuung der Flächen oder die Organisation des Gängeviertels zu investieren. Denn nicht alle Arbeiten wird das Gängeviertel zusätzlich mit Löhnen ausgleichen können. Allen Aktiven ist klar: Ihr Engagement im Gängeviertel wird sie nie reich machen, dafür aber sozial und ideell bereichern.

Das Gängeviertel will ein kommunaler und kooperativer Ort sein. Das bedeutet, dass die Auswahl der Mieter bei dafür zuständigen Kommissionen innerhalb des Viertels liegen muss. Nur so kann das soziale und kooperative Gefüge erhalten und gefördert werden. Vielseitigkeit, Offenheit und Fluktuation hinsichtlich der Bewohnerstruktur wollen wir darüber hinaus durch strukturelle Erweiterungen gewährleisten, durch flexibel und vereinfacht zu besetzende Stipendiaten-Wohnungen (befristete Atelierwohnungen) einerseits und durch externe Berater andererseits, die neben Aktiven des Gängeviertels in den Belegungskommissionen sitzen werden.

 

Räume für Gewerbe

Gewerbliche Nutzung ist der Initiative wichtig. Dabei wollen wir bei Auswahl und Ausgestaltung der Gewerbenutzungen einen Gegenpart bilden zu den vorhandenen Angeboten in der Innenstadt, die den Bürgern Hamburgs nur noch die Wahl bieten zwischen Caféhauskette A oder B. Deswegen will die Initiative gerade „kleinen” Unternehmen und „Start Ups”, die sich mit dem Selbstverständnis des Projekts identifizieren können, die Realisierung ihrer Geschäftsideen ermöglichen. Geplant sind bislang unter anderem ein Bio-Café, eine Gastronomie mit Kunstkonzept, eine Kindertagesstätte, ein Literaturladen, Galerien sowie Räume für kleinere Handwerksbetriebe sowie Mode- und Musiklabels. Dabei ist die Höhe der Mieten ein zentraler Punkt. Diese sollen nach der finanziellen Leistungsfähigkeit der einzelnen Nutzer gestaffelt werden. Gleichwohl werden die Gewerbetreibenden im Gängeviertel wirtschaftlich arbeiten und Gewinne machen. Dabei unterscheiden wir zwischen Gewerbe, das auf eigene Rechnung arbeitet, und aus dem Gängeviertel heraus bewirtschafteten Räumen, deren Gewinne direkt in das Viertel fließen. Beide sichern zusammen mit den Einkünften aus Wohnmieten die langfristige ökonomische Tragbarkeit des Gesamtprojekts.

 



Organisation und Nutzung

Warum im Gängeviertel jede/r eine Stimme hat

Trägerschaft

Grundlegendes Ziel des Projekts „Gängeviertel“ ist die Selbstverwaltung der Gebäude durch die Mieter. Um dies langfristig zu sichern und den partizipativen Charakter des Projekts zu erhalten, werden derzeit verschiedene Modelle einer zukünftigen Trägerstruktur geprüft. Diese muss folgenden Zielen dienlich sein:


• Erhalt der rechtlichen Selbstverwaltung (be- trieblich und organisatorisch)
• Entscheidungsfreiheit bei Vermietungs- und Nutzungsfragen sowie über interne Regeln bzw. Regelüberschreitungen
• Sicherung breiter Beteiligungsmöglichkeiten (Offenheit nach außen)
• Transparenz innerhalb der Struktur und bei Entscheidungen
• Gewährleistung flacher Hierarchien
• Rotation bei der Belegung der Ämter
• „One voice one vote“-Prinzip
• Sicherstellung des Projektbetriebs unabhängig von Einzelpersonen
• Möglichkeit der Institutionalisierung auf Ebene des soziokulturellen Zentrums
• Sicherung des unabhängigen Kulturbetriebs
• Einbindung ehrenamtlicher Arbeit
• Anerkennung durch die Wohnungsbaukreditanstalt
• Gemeinnützigkeit (Spendenfähigkeit)
• Schaffung offener Strukturen hinsichtlich der Finanzierung aus Spenden und Zuwendungen aus Unterstützerkreisen
• Finanzielle Risikominimierung

Für unser am Gemeinwohl orientiertes Vorhaben ist insbesondere das Modell der Genossenschaft interessant, da diese vom Grundsatz her nicht gewinnorientiert arbeitet. Bis zur Auswahl und Gründung einer entsprechenden Trägerorganisation erfolgt der Betrieb des Projekts durch den Verein Gängeviertel e.V. Dieser wurde im November 2009 als rechtlicher Rahmen für die Initiative „Komm in die Gänge“ gegründet und ist ebenfalls Verhandlungspartner der Stadt.

 

Nutzungstypologie

Mit der Entwicklung des Gängeviertels strebt die Initiative „Komm in die Gänge” ein lebendiges und nutzungsgemischtes Quartier an, in dessen Fokus künstlerische und soziokulturelle Nutzungen stehen. Die architektonische und städtebauliche Struktur des Gängeviertels bietet die Chance, die von Kulturschaffenden bevorzugte und benötigte Nähe von Wohnen und Arbeiten zu ermöglichen. Dieses Zusammenspiel hat das Gängeviertel bereits in früheren Jahrhunderten geprägt: Fabrikgebäude, Wohnungen, Tischlereien und Ladenlokale stehen hier neben- und übereinander und bieten herausragende Perspektiven für Wohnen und künstlerisches Arbeiten. Die angestrebte Nutzungsmischung gliedert sich nach folgender Typologie:

Wohnungen und Atelierwohnungen

Wohnungen werden für Künstler und Nicht-Künstler angeboten, die sich mit dem Selbstverständnis des Projekts identifizieren.
Atelierwohnungen dienen als Ort künstlerischer Arbeit mit zusätzlicher Wohnnutzung. Zusätzlich werden befristete Atelierwohnungen zum Beispiel für Stipendiaten zur zeitlich begrenzten Nutzung bereitgestellt.

Ateliers und Werkstätten

Ateliers sind reine künstlerische Arbeitsstätten ohne Wohnnutzung. Offene Ateliers werden von mehreren Künstlern genutzt und / oder für einen begrenzten Zeitraum vergeben. Gemeinschaftswerkstätten sollen für Künstler zur Arbeit mit speziellen Gerätschaften angeboten werden.

Soziokultur

Im Zentrum des Projekts „Gängeviertel” stehen Räume für kulturelle, soziale und politische Initiativen und Programme. Diese sollen zum Beispiel in Form von Begegnungsstätten, Arbeitsräumen, Probebühnen, Kommunikationsorten und Veranstaltungsflächen angeboten werden.

Gewerbe

Die Erdgeschossflächen sollen vornehmlich durch Einzelhändler, Handwerker (Werkstätten), Galeristen und Gastronomen genutzt werden, die den soziokulturellen Fokus des Gängeviertels unterstreichen und ergänzen.

Die gesamte Nutzfläche aller Räume im Gängeviertel beträgt rund 8.700 Quadratmeter. Die einzelnen Nutzungstypen verteilen sich darauf wie folgt:


Das Gängeviertel bietet Raum für 125 Bewohner, daraus ergibt sich eine durchschnittliche Wohnfläche von 42 Quadratmeter pro Person.

Bei der Verteilung der Nutzungen wird folgendes zu Grunde gelegt:

• Alle Erdgeschossflächen sind Räume mit Publikumsverkehr.
• In den Obergeschossen der ehemaligen Wohngebäude befinden sich in der Regel Wohnungen, Atelierwohnungen und Ateliers.
• Die Staffelung der Nutzungstypen erfolgt in den Wohngebäuden von Erdgeschoss zum Dachgeschoss folgendermaßen: Gewerbe > Atelier und/oder Atelierwohnung > Wohnung.
• In den ehemaligen Gewerberäumen werden Ateliers, (Künstler-)Werkstätten, offene Ateliers und Räume zur soziokulturellen Nutzung untergebracht.
Das Gängeviertel liegt zentral. Es ist bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln und soweit wie möglich barrierefrei zu erreichen. Das macht das Quartier attraktiv für viele Hamburger, dort soziokulturelle Veranstaltungen zu besuchen oder selbst anzubieten.
Damit wird ein Teil der Innenstadt wieder zu einem Zentrum des Austauschs für alle Bürger.

 




Raumvergabe

Die Auswahl der Bewerber erfolgt durch eine spezifisch zusammengesetzte Belegungskommission (siehe folgende Aufzählung). Das grundlegende Kriterium für die Vergabe ist die Bereitschaft zur Partizipation am Leben im Viertel.

Atelierwohnung

Kriterien:

  • Inhaltliche Ausrichtung (Gewährleistung von Vielfalt)
  • Mitglied der Trägerschaft
  • Förderrichtlinien der WK


Bewerbung:

  • nach öffentlicher Ausschreibung oder per Bewerbungsliste
  • je nach künstlerischem Schwerpunkt und Ausdruck (zum Beispiel Bewerbung mit Mappe oder Onlinebewerbung)


Auswahl durch Belegungskommission:

  • Trägerschaftsverwaltung
  • Delegierte des Gängeviertel e.V.
  • Fachbeirat (intern und extern)
  • Delegierte des betreffenden Hauses

Wohnraum

Kriterien:

  • Mitglied der Trägerschaft
  • Förderrichtlinien der Wohnungsbaukreditanstalt (WK)
  • Angemessenheit der Wohnungsgröße


Bewerbung:

  • auf öffentliche Ausschreibung oder per Bewerbungsliste


Auswahl durch Belegungskommission:

  • Trägerschaftsverwaltung
  • Delegierte des betreffenden Hauses

 

Offene Ateliers und befristete Atelierwohnung (Stipendiaten)

Kriterien:

  • Inhaltliche oder thematische Ausrichtung (Gewährleistung von Vielfalt)


Bewerbung:

  • auf öffentliche Ausschreibung / Aufruf
  • je nach künstlerischem Schwerpunkt und Ausdruck (zum Beispiel Bewerbung mit Mappe oder Onlinebewerbung)


Auswahl durch Belegungskommission:

  • Trägerschaftsverwaltung
  • Delegierte des Gängeviertel e.V.
  • Fachbeirat (intern und extern)
  • Förderer / Stifter

 

 

Ateliers und Werkstätten

Kriterien:

  • Inhaltliche Ausrichtung (Gewährleistung von Vielfalt)
  • Mitglied der Trägerschaft (bei Zusage)


Bewerbung:

  • auf öffentliche Ausschreibung / Aufruf
  • je nach künstlerischem Schwerpunkt und Ausdruck (zum Beispiel Bewerbung mit Mappe oder Onlinebewerbung)


Auswahl durch Belegungskommission:

  • Trägerschaftsverwaltung
  • Delegierte des Gängeviertel e.V.
  • Fachbeirat (intern und extern)
  • Delegierte des betreffenden Hauses

 

 

Gewerbe (Einzelhandel, Handwerk, Galerien, Gastronomie)

Kriterien:

  • Nutzungen müssen einander vom Angebot her ergänzen sowie für den Ort und die Bewohner eine Bereicherung darstellen
  • Inhaltliche Ausrichtung / Konzept
  • umsatzabhängige Miete
  • Mitglied des Trägervereins


Bewerbung:

  • auf öffentliche Ausschreibung / Aufruf
  • Konzept


Auswahl durch Belegungskommission:

  • Trägerschaftsverwaltung
  • Delegierte des Gängeviertel e.V.
  • Delegierte des betreffenden Hauses



Bauliches Konzept

Wie wir in der Innenstadt einen Ort für alle bauen

Das Gängeviertel ist
ein einmaliges historisches Gebäudeensemble in der Hamburger Innenstadt, das es in seiner baulichen Struktur zu erhalten gilt. Zwei Drittel der Gebäude sind bereits als Denkmäler geschützt, und auch bei den übrigen Gebäuden ist aufgrund ihrer fast vollständig erhaltenen originalen Bausubstanz mit Denkmalwürdigkeit zu rechnen (Überprüfung läuft). Indem es die bestehenden Sichtachsen, Bezüge und Verbindungen aufnimmt, stellt unser Konzept eine moderne, urbane Weiterentwicklung der historischen Nutzung des Gängeviertels dar.


Die geschlossene Struktur entlang des Valentinskamps und der Caffamacherreihe schirmt die dahinter liegenden Höfe vom Straßenraum ab und schafft geschützte halböffentliche und private Räume.


Da im Zuge verschiedener Neubauprojekte im näheren Umfeld innerstädtische Grünräume weichen mussten, hat die Initiative „Komm in die Gänge“ beschlossen, die Brachfläche an der Speckstraße nicht zu bebauen, sondern als Freifläche zu nutzen. Diese neu zu schaffende Grüninsel stellt einen wichtigen Gegenpart zur teilweisen Enge der Höfe dar und bildet die rückwärtige Fassung des Quartiers.


Die gewerbliche Nutzung im Erdgeschoss der Gebäude entlang des Valentinskamps knüpft in seiner Nutzungsvielfalt an Zeiten an, in denen noch Metzger, Bäcker, Gemüsehändler, Juweliere, Puppenmacher und Blumenverkäufer das Straßenbild bestimmt haben. Die Schier’s Passage – Teil der historischen Wegeverbindungen zwischen den größeren Straßen – wird als halböffentlicher, fußläufiger Durchgang Richtung Speckstraße und Kaiser-Wilhelm-Straße erhalten bleiben. Das geplante soziokulturelle Zentrum in der „Fabrik“ wird über den bestehenden Durchgang am Valentinskamp 34 erreichbar sein. Ein weiterer, neu zu schaffender Zugang über die Freifläche an der Speckstraße wird bei der weiteren Projektplanung geprüft.


Aufgrund der jahrelangen Vernachlässigung der Gebäude ist eine umfassende Instandsetzung und Sanierung der Bausubstanz notwendig. Insbesondere Dächer, Fenster und die Versorgungstechnik müssen erneuert werden. Dabei wird mit den bestehenden Grundrissen der Gebäude behutsam und denkmalgerecht umgegangen. Der Ausbau der Dachgeschosse und Souterrainflächen bildet eine sinnvolle Ergänzung des bestehenden Raumangebots.


Wo es möglich ist, sollen die Gebäude zudem durch entsprechende Dämmung und Fenster energetisch aufgerüstet werden. Dabei ist den Belangen des Denkmalschutzes Rechnung zu tragen. Im Rahmen der notwendigen Erneuerung der Gebäudetechnik wird auch geprüft, inwieweit eine eigene dezentrale Wärmeversorgung realisierbar ist. Unser Ziel ist es, die Energiekosten für Heizung und Warmwasserbereitung langfristig niedrig zu halten und das Gängeviertel energetisch möglichst nachhaltig zu versorgen.

 

Realisierung

Was das alles kostet!

Finanzierungskonzept


Sanierungskosten

Die Stadtplaner und Architekten der Initiative schätzen die Sanierungskosten für die zwölf Gebäude des Gängeviertels auf ca. 15 Millionen Euro (brutto gesamt). Davon entfallen auf reine Baukosten rund 10 Mio. Euro, das bedeutet durchschnittliche Baukosten von 1.100 Euro je Quadratmeter Nutzfläche. 5 Mio. Euro werden für Herrichtung und Erschließung, Außenanlagen, sowie Baunebenkosten verwendet. Über die Kosten für die Nutzung der Grundstücke wird aktiv mit der Stadt verhandelt. Der bauliche Standard wird der eines veredelten Rohbaus sein, bei dem Stand- und Verkehrssicherheit sowie eine fachgerechte Versorgung mit Strom, Wasser / Abwasser und Gas gegeben sind. Der Innenausbau der Gebäude erfolgt durch die Nutzer selbst.

Finanzierung
Die Finanzierung der Sanierungskosten erfolgt zum größten Teil über Darlehen, die langfristig über Mieteinnahmen getilgt werden. Für die Sanierung der Wohnungen und Atelierwohnungen sollen Fördermittel der Wohnungsbaukreditanstalt (WK) genutzt werden. Die Finanzierung dieser Gebäudeteile setzt sich zusammen aus:
• Eigenkapital
• Zinsgünstigen WK-Förderdarlehen
• Darlehen der KfW-Förderbank, Programm „Ökologisches Bauen“
• evtl. Zuschüssen für „Energiesparendes Bauen“
Die Gebäudeteile, für die reine Atelier-, Gewerbe- und soziokulturelle Nutzungen geplant sind, werden frei finanziert. Die Höhe der Darlehenssumme ist davon abhängig, wie viel Eigenkapital aufgebracht werden kann. Dazu zählen neben eigenen finanziellen Mitteln und Eigenleistungen in Form aktiver Arbeit vor allem Spenden und Direktkredite.

Mieteinnahmen
Die Höhe der Mieten hat Einfluss auf die soziale und gewerbliche Mischung in einem Quartier. Da die Sanierung des Gängeviertels dem Substanzerhalt und nicht der Wertsteigerung dient, bestimmt sich die Höhe der Mieten aus den Baukosten und nicht aus der Lage des Grundstücks (Kostenmiete).


Ziel der Initiative „Komm in die Gänge“ ist es, preiswerte Mieten anzubieten, um ein breites Spektrum an Nutzungen zu ermöglichen. Deshalb werden die Mietpreise für Gewerbe, Ateliers und soziokulturelle Flächen entsprechend der finanziellen Leistungsfähigkeit der einzelnen Nutzer gestaffelt. Die Mieterträge für Wohnungen und Atelierwohnungen orientieren sich an den Richtlinien für den sozialen Wohnungsbau.


Verfügbare Nutzfläche und Mietpreise/ m2
Atelierwohnungen und Wohnungen 5.200 m2 / 5,60 - 7,50 €
Ateliers 750 m2  / 3,50 - 4,00 €
Gewerbeflächen 1.900 m2  / 8,00 - 12,00 €
Soziokulturelle Nutzung 750 m2  / 2,00 - 3,00 €


Abzüglich der Bewirtschaftungskosten (Verwaltung, Instandhaltungsrücklage, Mietausfallwagnis) ergibt sich aus den Mieteinnahmen ein jährlicher Reinertrag von 620.000 Euro, der für Zins und Tilgung der Sanierungskosten zur Verfügung steht.

 

Bauphasen

Um auch während der Bauarbeiten den künstlerischen und kulturellen Betrieb aufrecht zu erhalten und Arbeitsräume zur Verfügung stellen zu können, erfolgt der Umbau in drei Abschnitten. Im ersten Bauabschnitt wird die komplette Schier‘s Passage instandgesetzt, im zweiten folgen „Fabrik“ und „Druckerei“, der dritte Bauabschnitt umfasst die Gebäude entlang der Caffamacherreihe / Speckstraße. Für die Planungen werden eineinhalb Jahre veranschlagt, für die Bauphasen jeweils ein Jahr. Parallel zur Ausarbeitung der Planung muss die Finanzierung des Bauvorhabens gesichert werden. Die zeitliche Planung ab Anhandgabe des Grundstücks sieht wie folgt aus:

Planungs- und Finanzierungsphase: ca. 1,5 Jahre
Bauabschnitt 1: 1 Jahr
Bauabschnitt 2: 1 Jahr
Bauabschnitt 3: 1 Jahr

 

Baubetreuung

Mit der Planung und Durchführung der Sanierungsarbeiten wird eine Planungsgesellschaft beauftragt, die sich aus Mitgliedern der Initiative „Komm in die Gänge“ und externen Fachkräften zusammensetzt. Diese Gesellschaft wird die Planung konkretisieren, die Ausführung der Bauarbeiten überwachen und als Berater fungieren. Unterstützend wird es in einzelnen Planungsphasen Kooperationen mit einem städtischen Baubetreuer geben.

 

Baubegleitende Kooperationen

Das Projekt „Gängeviertel“ steht für das Schaffen von Möglichkeiten. Dies beschränkt sich nicht auf Künstlerisches und Soziales – das Viertel soll auch beispielgebend sein in den Bereichen Handwerk, Ausbildung und Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. In den vergangenen Monaten haben sich verschiedene Kooperationen herausgebildet, die wir in der Bauphase vertiefen möchten. So haben unter anderem Schüler des Zweiges „Maler und Lackierer“ der „Staatlichen Gewerbeschule für Holztechnik, Farbtechnik, Raumgestaltung und Textilgestaltung (G6)“ Schadensanalysen von Fassaden erstellt sowie Vorschläge zur Sanierung und Gestaltung der Fassade gemacht. Das nächste Projekt ist bereits in Planung: Wärmedämmung von Fassaden gemäß Aspekten des Denkmalschutzes.

Wir möchten dieses Engagement weiter unterstützen und die Arbeit nicht im Theoretischen belassen. Die Auszubildenden sollen die Möglichkeit erhalten, ihr Wissen im Rahmen einer Lehrlingsbaustelle im Gängeviertel praktisch anzuwenden. In Kooperation mit der Berufsschule und der Innung würden Auszubildende die Sanierung sowie Dämmung der Fassaden planen und ausführen.

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