06. March 2024 Neuigkeiten, Startseite

Das Gängeviertel im März 2024

Achtung: Dieser Text thematisiert u.a. sexualisierte Gewalt


Zunächst ein paar Eckdaten für euch: Die Zeitzeuginnen treffen sich jeden letzten Dienstag im Monat (17.00 - 19.00 Uhr) um uns über Geschichten, Erlebnisse und das Leben im Gängeviertel auszutauschen. Unsere jüngste Zeitzeugin ist 50 und die Spanne reicht bis 93 Jahre. Melde dich gerne per mail an: zeitzeuginnen@das-gaengeviertel.info oder meldet euch bei der Gängeviertel Genossenschaft. Komm in die Gänge, Komm tausch Geschichten aus!

Zum Thema Clubsterben: Laut einer Frage des Clubkombinats starben in den letzten 10 Jahren ca. 11% der geschätzt 120 Clubs in Hamburg. Ein Versuch, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken gestaltet sich folgendermaßen: Das Gängeviertel ist Teil der Aktion „Mehr live. Mehr life“ des Clubkombinats. Mit Plakaten, auf Leinwänden und Social Media Posts wird für die Sichtbarkeit, Wiederbelebung und den Erhalt der Liveclubkultur im Raum Hamburg plädiert. Die leicht kryptische Kampagnenbeschreibung auf der Webseite des Clubkombinats lässt folgenden Inhalt erahnen: Liveclubs gehören zu einer Spezies, deren Population in rasantem Tempo dezimiert wird. Die Gründe dafür sind vor allem die steigenden Betriebskosten, schwindendes Personal und finanzielle Engpässe im Allgemeinen. Dabei fungieren Livemusik und - Clubs als „Brückenbauer, Triebfedern für Diversität und Toleranz und sind unverzichtbare Entstehungsräume einer toleranten, lebendigen und damit lebenswerten Gesellschaft. Und deswegen gilt es, ihre Vielfalt und Einzigartigkeit zu schützen und zu fördern.“ (https://clubkombinat.de/mehr-live-mehr-life/)

Dieser Absatz handelt von einer Buchvorstellung und ist folgerichtig ergiebiger als andere Textpassagen: Das Buch "Entdeckungsreise durch die Hamburger Geschichte - 240 Porträts aus 12 Jahrhunderten" enthält u.a. eine Reihe von Porträts von Personen aus der Geschichte des Gängeviertels. Autor Frank Kürschner-Pelkmann hat uns ein Buch und Infos zu einigen Personen mit Bezug zum Gängeviertel geschickt: Es klingt vielleicht etwas merkwürdig, wenn ich als erstes Porträt die Darstellung über Johannes Bugenhagen (S. 96) vorschlage, aber seine "Kirchenordnung", die zugleich eine politische Ordnung war, war geprägt vom Misstrauen gegen die arme Bevölkerung (u.a. wegen der damaligen Bauernkriege, die die Reformatoren beunruhigten), und verfestigte die politischen Strukturen der Stadt. Im Rat saßen weiterhin nur reiche Kaufleute, und da der Rat sich durch Zuwahl ergänzte, blieb man unter sich. Über Jahrhunderte blieb das so, wobei einige Juristen mit in den Rat aufgenommen wurden. Die Handwerksmeister konnten sich nur unter Mühen gewisse Mitspracherechte erkämpfen. Ein Aufstand der ärmeren Bevölkerung unter Führung von Jastram und Snitger scheiterte (S. 164). Der fromme Pastor Horb (S. 172) setzte sich vergeblich für die Armen (u.a. die "Bönhasen") ein und wurde aus der Stadt vertrieben. Die reichen Ratsmitglieder hatten ein Interesse daran, die Steuern niedrig zu halten und taten praktisch nichts, um die Situation der Armen zu verbessern. Die Sozialfürsorge überließ man Kirche und reichen Stiftern (siehe Rentzel, S. 152).  Diese politischen Verhältnisse verursachten die weitere Verarmung großer Teile der Stadtbevölkerung. Eine Konsequenz war die Vernachlässigung der Wohnviertel der Armen und vor allem der Gängeviertel. Im Abschnitt über Hummel (S. 513) wird die miserable Wasserversorgung der Armen und der Wasserträger sichtbar. Im Porträt von Berend Goos wird aus einem Zitat (S. 468-469) die noch katastrophalere Situation der Obdachlosen deutlich. Wichtig ist das Porträt von Bürgermeister Mönckeberg  (S. 630), der ganz im Sinne der Reichen die Steuern niedrig halten und wenig Geld für Sozialprogramme ausgeben wollte. Wie Ihnen sicher bekannt ist, ließ er große Teile der Gängeviertel niederreißen und von Privatunternehmen billige Mietskasernen am damaligen Stadtrand bauen. Die Innenstadt wurde für Kontor- und Kaufhäuser reserviert. Fritz Schumacher (S. 722) hat dann wenigstens die Bau- und Wohnqualität der Wohnungen für die Arbeiterfamilien verbessert. Die Umsiedlung großer Bevölkerungsschichten aus der Innenstadt hat auch er nicht mehr verhindert.  

Nun ein paar Worte zum aktuellen Zeitgeschehen - der Geschlechtergerechtigkeit im März: Das Programm im Gängeviertel um den Frauenkampftag am 8. März gestaltet sich wütend, bunt, informativ und natürlich hochkompetent und basslastig. Die 8M-Demo beginnt um 18.00 Uhr am Rathaus, wird in monarchischer Tradition von der Prinzessin begleitet (es handelt sich hierbei um ein Kraftfahrzeug) und endet um 20.00 Uhr im Gängeviertel. Vor Ort wird es eine Musikperformance und DJs geben; die Jupibar wird öffnen und zum Ausklang wird ein Get-together auf diversen Flächen des Viertels stattfinden. Die Octopussies öffnen zusammen mit den Power Rangers um 22.00 Uhr die Pforten der Fabrique für Trance, Techno, Hardgroove und Breakbeat.

Außerdem wird es um 20 Uhr einen Performativen Einführungsvortrag von Prof. Dr. Heidi Salaverría geben, der im Rahmen der Solidarity. Appropriation. Reverse. Ausstellung im MOM Art Space stattfindet (1. - 10. März.) Solidarity. Appropriation. Reverse. ist ein Projekt der Reihe „Sexed Power | Kunst im Kontext sexualisierter Macht“. Die Ausstellung fand erstmals 2018 im MOM art space statt und wiederholt sich seitdem zum Weltfrauen*tag. In diesem Jahr stehen die künstlerischen Verhandlungen der drei Konzepte Solidarity, Appropriation und Reverse und ihre Bedeutungen für feministische* Forderungen und Kämpfe im Fokus: In einer Zeit von politischen Konflikten und Kriegen nach feministischer* Solidarität, ideellen Aneignungen und daraus folgender Umkehrung fragen? Gerade in der gegenwärtigen von Dichotomien, Feindbildern und Hass geprägten Zeit, in der Gewalt, Missbrauch und Fake-Solidarität zunehmen, Vertrauen in Grundrechte (Frauen*rechte sind Menschenrechte) und Demokratie schwindet, ist es wichtig, feministische* Ziele nicht aus den Augen zu verlieren. Das besondere Leid von Frauen* und queeren Personen auf der Flucht aus Kriegen und Krisen wird zumeist nicht gesehen und nicht benannt. Vielmehr wird sich Feminismus* immer mehr kapitalistisch einverleibt, während die Zahl der Femizide weltweit nach UN-Berichten einen traurigen neuen Rekord erreichte, in Deutschland weniger als 5% der sexuellen Übergriffe an Frauen* strafrechtlich verfolgt werden und neue Gesetze queeres Leben entrechten. Sexualisierter Gewalt gehen sexualisierte Machtstrukturen voraus. Auch in der Kunst. Dagegen positioniert sich die Ausstellung „Solidarity. Appropriation. Reverse.“ Wie in den Jahren zuvor wird mit Nan Goldin eine quasi-historische feministische* Position aus den 1970er Jahren aktuellen künstlerischen Arbeiten gegenüberstehen. Goldins filmischer und fotografischer Blick auf queeres subkulturelles Leben, aber auch ihr aktivistischer Kampf sind uns gegenwärtig und werden Leitfaden in der Besinnung auf eine widerständige und autonome künstlerische Wahrnehmung und Praxis. Ebenfalls zu sehen sind Arbeiten der Künstler:innen Caroline von Grone, Kyung-wha Choi-Ahoi, Anne Meerpohl & ANna Tautfest, Dagmar Rauwald, Jenny Schäfer, Alina Desyatnichenko und Olga Shirokostup. Mit: Kyung-wha Choi-Ahoi, Alina Desyatnichenko & Olga Shirokostup, Caroline von Grone, Anne Meerpohl & ANna Tautfest, Dagmar Rauwald, Jenny Schäfer. Im Rahmen der Ausstellung zeigen wir den Film „All the Beauty and the Bloodshed“ der Filmemacherin Laura Poitras über die Künstlerin Nan Goldin.

Die Workshops und Lesungen von Fuck Yeah! schließen thematisch hervorragend an ( https://fuckyeah.shop/workshops/ ): Am 15.03. gibt es einen Workshop zum Thema einvernehmliche Sexualität für alle Interessierten im Seminarraum von 17.00 – 20.00 Uhr: Sex und Konsens - Mehr als nur „Ja heißt Ja“ und „Nein heißt Nein“ mit Frauke Schußmann. Am 28.03. um 19.00 Uhr findet die Lesung: “Weißen Feminismus canceln” mit Sibel Schick ebenfalls im Seminarraum statt. Auch der Bewegungsraum beherbergt am 21.3. ein Workshopformat als Doppelsession von 9.30 Uhr bis 17.00 Uhr: Soziodrama trifft Social Presencing Theater mit Jörg Jelden. Grundzüge, Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Soziodrama nach Jakob Levy Moreno und des Social Presencing Theater nach Arawana Hayashi. Das Training richtet sich an Personen mit Erfahrung im Soziodrama, Psychodrama, Achtsamkeis- und Aktionsmethoden wie Aufstellungen, Playback Theater, Deep Democracy, Theater der Unterdrückten

Hier ein paar weitere programmatischen Stilblüten: Am 15.3. findet die Gänge Cypher in der Jupibar statt. Es handelt sich dabei um ein offenes Rapbattle ab 19.00 Uhr. Weil Rap bis dato die höchste Form der Lyrik darstellt und Goethe samt seinen antiquierten Reimschemata glücklicherweise abgelöst hat, bleibt nur zu hoffen, dass auch ein paar Frauen* unter den Teilnehmenden zu finden sind, um die aktuellen Rapbattle-Gütekriterien zu erfüllen. Daumen gedrückt. Des Weiteren findet am 19.3 eine LAN-Party an selbigem Ort statt. Bringt eure PCs mit und los geht’s. Eine Anmeldung vorab ist notwendig. Am 20.3. findet zum ersten mal ein Ver.di Vernetzungstreffen in der Jupibar statt.

Auch Saal und Keller in der Fabrique haben großes vor diesen Monat: Am 22.3. wird das In der Schwebe Festival zelebriert. Es wird verschiedene Konzerte von Modular (New New Wave), metty (Pop), Grell (Alternative Rock), Diesel J (Experimental HipHop), Böird (Melodic Techno, live) & Leo_mbg (Rap) geben und danach eine Aftershowparty auf zwei Floors vom Kollektiv Bad Feminists. Gleich darauf, am 23.3. folgt das Pain(t) for Justice Festival mit gutem Zweck, unzähligen Tätowierer:innen, Piercings, Bands, einer Kunstausstellung, einer Lesung, Klamottenständen und veganem Essen.

Last but not least kommen wir zu unseren Ausstellungen im Raum linkrechts und der Galerie Ladøns: Im Raum linksrechts findet bis 16. März die Ausstellung "Schicht && Gewebe" statt. Die Arbeiten von Stephan Kraus und Yannic Heintzen befinden sich im Bereich der künstlerischen Forschung und sind umfängliche theoretische Auseinandersetzungen, die durch die Praxis der Gestaltung erweitert werden. Öffnungszeiten: Do bis Sa von 17 bis 20 Uhr. Die beiden Künstler Yannic und Stephan werden anwesend sein. In der Galerie Ladøns wird vom 15. - 17. März die Emonautic Journey – “Heartstrings” zu finden sein. An Audiovisual Odyssey with Bob Drop and Jupiter Moll. Eröffnung am 15.03. um 18.30 Uhr. Auch sehenswert ist die Fluchtort Ausstellung im MOM Art Space vom 23. – 31.3.2024, Eröffnung am 22.3. um 19 Uhr, MI – SO 16-19 Uhr – über Ostern geöffnet!







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