Ganze zwei Jahre ist es inzwischen her, dass wir mit Sack und Pack in die leerstehenden, vermodernden Häuser des Gängeviertels eingezogen sind. Damals waren die letzten Reste dieses historischen Quartiers eigentlich schon dem Untergang geweiht und die Verträge, die hier wie fast überall in der Innenstadt seelenlose Bürobauten herbeisehnten, unterschrieben. Wir luden unzählige Menschen ein, um sich unsere Ideen anzuhören, das Viertel zu entdecken, die Kunst und Kultur zu erleben, die hier geschaffen wurde oder, um einfach nur ein paar schöne Stunden gemeinsam zu verbringen. Gleichzeitig retteten wir die Häuser so gut es ging vor dem weiteren Verfall, verhandelten mit der Stadt und schafften so das eigentlich Unmögliche: Wir blieben hier.
Zehntausende Hamburger sind unserer Einladung gefolgt und ohne die Unterstützung so vieler Menschen, wäre es uns niemals gelungen diese 12 Häuser zu erhalten, die nun wie ein Biotop zwischen den um uns herum aufragenden Glasfassaden liegen. Aber von Anfang an ging es uns um mehr, als nur ein Stückchen der historischen Stadt zu erhalten und endlich den Zyklus aus Aufwertung und Vertreibung zu durchbrechen, der unsere Leben zuvor geprägt hatte. Es ging und geht um die Idee einer ganz anderen Stadt. Einer Stadt, die nicht nach Standortinteressen und Verwertbarkeit durchorganisiert wird, sondern die das Leben ihrer Bewohner bereichert und aus mehr besteht als trostlosen Arbeitsplätzen, überteuerten Mietshäusern und seelenlosen Shoppingzonen. Die Idee Gängeviertel ist mehr als nur ein Viertel.
Viel ist in der Stadt passiert in den vergangenen zwei Jahren. Mit dem Aufschrei „Not in our Name“ begehrten Künstler und Kulturschaffende gegen ihre Rolle als Feigenblatt der Marke Hamburg auf und unter dem Dach von „Recht aus Stadt“ fanden sich unterschiedlichste Menschen und Initiativen aus allen Teilen der Stadt zusammen, um ihre Interessen und ihre Ideen für ein anderes urbanes Leben zusammenzutragen, auszutauschen und durchzusetzen. Durch ihre beherzten Aktionen und kreativen Konzepte entstand überall in der Stadt der Nährboden, auf dem eine neue Form der Metropole wachsen könnte. Diese neuen Entwicklungen verbanden sich mit dem bereits Bestehenden, der Roten Flora, der Hafenstraße, den Falkenried Terrassen und den unzähligen Wohn- und Sozialprojekten, die schon seit Jahrzehnten kraftvolle Gegenentwürfe zur Investorenhörigkeit und der Politik der Höchstgebote aufzeigten und lebten. Wir verhandelten mit der Politik, brachten unsere Ideen ein und hofften darauf, einen Lernprozess in Gang bringen zu können, der auch in der Regierung zu der Erkenntnis führen würde, dass es mehr als nur ein Viertel braucht, um diese Stadt lebenswert zu halten.
Heute, fast 1.000 kostenlose Ausstellungen, Konzerte, Debatten, Volksküchen, Theaterdarbietungen, Lesungen, Konferenzen und 200.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden später, sollen wir wieder als Bittsteller vor den Stadtoberen auftreten, denn schließlich wird uns ja die Gnade gewährt, überhaupt hierbleiben zu dürfen. Wir stellen uns die Frage wie viel wir der Politik denn noch vorlegen sollen nachdem wir das Konzept erarbeitet haben, das umgesetzt werden soll, die zugehörige Genossenschaft auf die Beine gestellt haben, die Häuser instandhalten und ein Programm anbieten, das die nie hinbekommen würden, mit dem sie aber liebend gerne international werben. Für uns geht es hier um mehr als die Aufhübschung der Wohnraumstatistik und die Banalität von Verwertungsinteressen. Es geht hier um eine Freiheit, die Kultur ermöglicht und Menschen, die sich dieser Verantwortung stellen. Doch diese Menschen brauchen dafür auch etwas: Verlässlichkeit, Respekt und Toleranz.
Wenn wir heute auf das Dach der Fabrik im Herzen des Viertels und in der Mitte der Stadt steigen und unseren Blick unter den tiefhängenden, grauen Wolken des Hamburger Sommers über die Dächer Hamburgs schweifen lassen, wird unsere Aufmerksamkeit zunächst auf die gewaltige Sprechblase über dem Rathaus gelenkt, aus der die Worthülsen „Bürgerbeteiligung“, „soziale Stadtentwicklung“ und lange Vorträge über die Amoralität von Leerstand in einer Stadt, in der 20.000 Wohnungen fehlen, herausquellen. Die Produkte der Phrasendrescher klatschen in der Stadt auf eine Realität, die mit den schönen Worten nicht so recht zusammenpassen will. Viel wurde versprochen von den Wahlkämpfern und Machtpolitikern, doch wann werden sie wohl kommen die 6.000 jährlichen Wohnungen oder die entschlossene Initiative gegen den Leerstand der Spekulanten? Auf der anderen Seite der Stadt können wir in der Juliusstrasse oder an der Altonaer Finanzbehörde und der Rindermarkthalle noch deutlich die Spuren betrachten die Schlagstöcke und Pfefferspray bei denjenigen hinterlassen haben, die mutig genug waren, die empörten Reden gegen den Leerstand tatsächlich für voll zu nehmen und versucht haben der Stadt mehr als nur ein Viertel zu schenken. Ein Blick auf den Leerstandsmelder genügt uns, um klarzuwerden, dass es hier nicht am Raum mangelt sondern am Willen.
Während von unten das Stimmengewirr der Menschen zu uns heraufdringt, die Woche für Woche eine der zahllosen Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen, Lesungen oder ein Konzert bei uns besuchen, schweift unser Blick weiter nach St. Pauli, wo momentan sogenannte Wahrzeichen im Minutentakt errichtet werden. Die tanzenden Türme verschandeln bereits jetzt einen Großteil des Blickes über den Kiez passen sich aber gut in die anderen, weitgehend leerstehenden, trostlosen Türme des neuen St. Pauli ein. Zu ihren Füßen kämpfen derzeit die Bewohner des Viertels in den Esso-Häusern oder an der Bernhard-Nocht-Straße darum, in ihrem Zuhause bleiben zu können. Denn auch für sie ist St. Pauli eben mehr als nur ein Viertel.
Es bleibt auch die Frage: Wo sollen die Menschen denn hin, wenn sie gehen müssen? Bis weit in die Vororte sehen wir sie bei Wohnungsbesichtigungen Schlange stehen und wie Mietpreise mühelos immer neue Rekordmarken reißen. Auf der anderen Seite stehen Verantwortliche, die sich eine originelle Strategie einfallen lassen, um die Wohnungsnot zu beheben: Sie streiten kaltlächelnd ab, dass es sie gibt. Die jahrelang verfehlte Stadtpolitik hat ihre Spuren in den Straßen hinterlassen, sie tragen die Firmenlogos der Makler und preisen großräumige, multifunktionale Büros an jedem zweiten Haus an, doch es fehlt wohl an Abnehmern. Dennoch werden weiter tausende von Quadratmetern Bürofläche hingeklotzt, ein Blick in den Süden Richtung Hafencity beweist es uns. Über dem klinisch toten Stadtteil thront wie ein Mahnmal das Millionengrab der Elbphilharmonie, dass uns daran erinnern soll wer hier das sagen hat und für wen die Stadt eigentlich da ist. Wir dürfen ein bisschen mitspielen, wenn wir artig sind. Aber mehr als ein Viertel soll es nun wirklich nicht sein.
Geht unser Blick wieder nach Norden sehen wir wie die Stadt sich selbst und mit der Binnenalster ihr Herzstück an die überdimensionale Badenixen-Gummipuppe eines Kosmetikherstellers verscherbelt, während nur wenige Meter weiter die SexarbeiterInnen aus St. Georg vertrieben werden, weil sie das angeblich saubere Stadtbild verschandeln würden. Überall in der Stadt sprießen ständig neue Massenevents für die Tourismusindustrie aus dem Boden, ob nun Schlagermove oder Harley Days, während alle Jahre wieder um das Schanzenfest, dass als große Ausnahme tatsächlich von den Bewohnern des Stadtteils selbst geschaffen wird, ein unbeschreibliches Theater gemacht wird. Öffentliche Räume wie der Spielbudenplatz werden teil-privatisiert und den Sicherheitsdiensten überlassen, obwohl ein Projekt wie Park Fiction zeigt, dass es auch ganz anders und sehr erfolgreich laufen kann.
Wir wenden den Blick ab. Wir haben genug gesehen und doch haben wir viel zu lange zugesehen. Wir steigen die rostige Feuerleiter hinab in die Gänge. Treffen unsere Freunde, unsere Gäste, euch, Menschen, die so denken und fühlen wie wir und die zu uns kommen, um wenigstens einige Stunden dem Irrsinn da draußen zu entfliehen und eine Alternative zu (er-)leben. Auf dem Weg nach unten denken wir daran zurück, dass noch vor hundert Jahren die Gängeviertel weite Teile der Innenstadt bedeckten und fragen uns ob nicht auch heute die Lebendigkeit und die Ideen aus dem Viertel in die Straßen der Stadt strömen könnten wie damals durch die schmalen Gassen und Höfe? Wir brauchen mehr, viel mehr als nur ein Viertel. Seid ihr dabei?
Wir haben sehr wohl wahrgenommen, dass die Politik aus dem Geschehen der letzten Jahre gelernt hat, und zwar vor allem Eins: Ihre Rhetorik zu verbessern. Viel wurde bisher versprochen und angekündigt. Die allein regierende SPD tut so als hätte sie verstanden was in der Stadt los ist, nur handelt sie bisher nicht. Gleichzeitig können wir im noch von Schwarz/Grün in Auftrag gegebenem Kommunikationskonzept von FischerAppelt zum A7-Deckel mal ganz ungeschminkt betrachten als was wir hinter den Kulissen wirklich wahrgenommen werden. Anstatt das Interesse der Bürger an der Entwicklung ihrer Stadt ernst zu nehmen und als Chance zu begreifen, werden diese als destruktive und nach Möglichkeit auszuschaltende Störenfriede gesehen. Ein breites Arsenal von Mitteln steht dazu bereit, die öffentliche Wahrnehmung zu manipulieren, von pro-aktiver Pressearbeit, über die Einbindung von Multiplikatoren und deeskalierender Information bis hin zu einheitlichen Sprachregelungen. Wie wäre es denn damit, den Menschen einfach mal zuzuhören und ihre Anliegen ernstzunehmen? Sei es in der neuen Mitte Altona, in den Schrebergärten, auf St. Pauli, vor der Flora, in Wilhelmsburg, im Gängeviertel, am Hansaplatz, in der Schanze und überall in Hamburg. Wir sehen über die Grenzen unserer Stadt hinaus in die Welt und es wird immer klarer, dass es mit einem einfachen „weiter so“ nicht mehr getan ist. Von Tel Aviv, Buenos Aires, Madrid, Athen und Kairo geht die Aufkündigung des bisher geltenden Konsens aus, der die Unterordnung allen gesellschaftlichen Lebens unter das Primat der Ökonomie fordert. Wir versuchen hier vor Ort an vergangene Kämpfe und aktuelle Ereignisse anzuknüpfen, um etwas zu bewegen. Etwas das versucht, Freiheit zu gestalten, Verantwortung zu tragen.
Wir haben die Schnauze voll von den Lippenbekenntnissen der Politik, die dann doch bei jeder sich bietenden Gelegenheit versucht, uns zu spalten, zu manipulieren oder, durch fingierte „Bürgerbeteiligungen“ und Verträge, über den Tisch zu ziehen. Was kann denn so schwer daran sein, den Menschen wieder die Verantwortung über ihr Lebensumfeld, ihre Stadt zurückzugeben? An jeder Ecke wird von uns Eigenverantwortung eingefordert. Wir wollen sie, die Selbstverwaltung, die Verantwortung für das was uns am direktesten betrifft. Denn die Stadt gehört uns! Die Stimmen, die sich erhoben haben und die vielen kleinen Keimzellen aus denen ein anderes Zusammenleben entstehen wird sind sehr real und werden nicht einfach wieder verschwinden. Seht es endlich ein!
Wir stehen gegen die Stadt, die auf den Fundamenten von Investorenträumen und Konsumzwang Ausgrenzung, Verdrängung und Segregation vorantreibt und für eine Stadt, die von unten, von ihren Bewohnern und für sie selbst gestaltet wird. Schafft mehr als ein Viertel – nehmt euch die Stadt!
Gängeviertel, August 2011
Und was geht eigentlich im Gängeviertel?
Nachdem dem Gängeviertel durch das Auseinanderbrechen des schwarz-grünen Senats der Verhandlungspartner abhanden gekommen war, ist es im letzten Winter sehr still geworden um die Zukunft des Quartiers. Die Politik war genug mit sich selbst beschäftigt. Mit der neuen SPD-Regierung wurden nun vor einigen Wochen die Verhandlungen wieder aufgenommen. Dieser Text soll einen Überblick über den Stand der Verhandlungen und die Perspektiven für die Zukunft bieten.
Im Frühjahr und Sommer letzten Jahres hatte die Initiative „Komm in die Gänge“ zusammen mit der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) ein „Integriertes Entwicklungskonzept“ (IEK) auf Basis ihres Zukunftskonzepts von April 2010 erarbeitet. Das im September fertig gestellte IEK sollte die Roadmap für die Sanierung darstellen und die Möglichkeit für die Ausweisung eines Sanierungsgebietes eröffnen, um die von der Stadt veranschlagten 19 Mio. Euro Sanierungskosten zu einem Teil aus Fördermitteln decken zu können. Die Höhe dieser Fördermittel ist allerdings nach wie vor unklar. Im Zuge der Einrichtung des Sanierungsgebietes soll ein Sanierungsträger eingesetzt werden, der gleichzeitig als Treuhandverwalter des städtischen Vermögens fungiert. Die Stadt Hamburg hat festgelegt, dass die Stadterneuerungs- und Stadtentwicklungsgesellschaft (steg) der einzige Sanierungsträger ist, der städtisches Vermögen treuhänderisch verwalten darf. Dieses Alleinstellungsmerkmal wurde weder begründet noch jemals zur Debatte gestellt. Die Rolle der Steg als Sanierungsträger, Treuhandverwalter, Planer, Architekt und Verwalter wird zwangsweise zu Konflikten führen, die durch eine ausgewogene Verteilung auf alle Beteiligten zu verhindern wären.
In Ergänzung zu den technischen Lösungen des Entwicklungskonzepts legte das Gängeviertel dem alten Senat, als Voraussetzung für die Zustimmung zum IEK, eine Rahmenvereinbarung vor, die ungeklärte Fragen hinsichtlich der Selbstverwaltung und der Beteiligung im Verfahren sowie die Übernahme des sanierten Quartiers durch die inzwischen gegründete Gängeviertel Genossenschaft regeln sollte. Diese Vereinbarung bildet die notwendige Grundlage für ein Fortbestehen unseres Kollektivs, unseres Kulturprogramms und des gewachsenen, lebendigen Ortes, der das Gängeviertel inzwischen ist.
Ein Gegenvorschlag der BSU in Form eines Kooperationsvertrags wurde in den letzten Verhandlungen von uns überarbeitet und nun liegt ein Entwurf vor, der allen Seiten gerecht wird, doch Jutta Blankau, die neue Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt, lehnte die Unterzeichnung rundweg ab. Das IEK soll nun durchgesetzt werden wie es ist. Inzwischen fast zwei Jahre Kulturprogramm, mit unzähligen Ausstellungen, Konzerten, Lesungen, Diskussionen und das lebendige Miteinander mitten in der Einöde aus leerstehenden Bürogebäuden der Innenstadt werden wieder einmal von der altbekannten Mentalität es neuen Senats bedroht.
Unser Wert ist weiterhin nur der Mehrwert und die politische und kulturelle Aktivität der ehrenamtlich arbeitenden Initiative mit ihren vielen Facetten. Diese scheint allerdings für die politisch Verantwortlichen nicht zu existieren. Die aus der Opposition heraus propagierten Rufe nach Stadtplanung von unten sind längst verstummt und die durch Olaf Scholz in Aussicht gestellte „moderne Stadt“ scheint sich tatsächlich an dem vergangenen Jahrhundert zu orientieren. „Labore, in denen ausprobiert werden kann, was sich anderswo noch niemand traut“ könnte es schon lange geben, nicht nur im Gängeviertel.
Wir gehen nun in die entscheidende Verhandlungsrunde und werden der Stadt sowie der Öffentlichkeit noch einmal alle Argumente für eine Trennung von Planung und Finanzierung der Sanierung, für die Selbstverwaltung des Gängeviertels und für ein rechtlich tragfähiges Konstrukt zur Übernahme der Verwaltung durch unsere Genossenschaft darlegen und eine dementsprechende Änderung der Kooperationsvereinbarung erwirken.
Wenn Frau Blankau nun in der BILD verkündet die Stadt hätte weitreichende Zugeständnisse gemacht und warte nur auf die Gegenzeichnung ihres Kooperationsvertrags, dann fragen wir uns doch ernsthaft, ob der Senat wirklich ein Interesse an einem fairen Umgang mit Künstlern, Kreativen, gewachsenen Strukturen und den Problemen der aktuellen Stadtentwicklung hat oder ob das Gängeviertel und das aktuelle Aufbegehren in der Stadt nur als weiterer potentieller Standortfaktor für die Marke Hamburg betrachtet wird. Denn dann bliebe uns nur wieder zu sagen: „Not in our Name“!
Die Empörung
Ja wo sind wir denn?
Ja was soll das denn?
Seit zwei Jahren machen wir Programm, fast 1000 Veranstaltungen. Eintritt frei. Für jeden der Interesse hat. Breitestes kulturelles Angebot. International. Debatten, Diskussionen, zeitgenössische Musikdarbietungen, Theater, Ausstellungen, Leibspeisen, Nachtische, Lesungen, Konferenzen. Ein Lachen und Weinen auch. Schwielen an den Händen und manchmal auch‘n Kater.
Sind Anker für die Suchenden, Obdach für die Zweifelnden, bilden die neue Identität des Ortes. Entwickeln Strahlkraft, beherbergen Gäste aus allen Kontinenten.
Und nun das!
Nun denkt die Politik, sie kann hier eben mal die Statistik der neu geschaffenen Sozialwohnungen verschönern und das war‘s. Sie trennt Inhalt und Form. Herrschaft wieder wie im Dudezfürstentum.
Das kann man doch mit uns nicht machen!
Wir sind lebendig. Für jede Schablone zu groß. Unser Sein unterwirft sich nicht den Statistiken. Inhalt und Form bilden ein Gemeinsames. Daraus entsteht Leben, Urbanität. Das ist mehr als die Banalität der Bodenverwertungsinteressen. Das ist Stadt.
Ja haben die denn nichts gelernt? Nichts verstanden?
Wozu reden wir denn die ganze Zeit?
Ist nichts mehr übrig von dem urbanen Viertel, das doch vorgeblich alle wollten? Ihr Fokus wird bestimmt von der Anzahl der Ruhestörungen.
Was ist denn mit dem „bürgerlichen Engagement“? Warum hat man vergessen, wie alles anfing, welche Lösungen es gab und gibt? Muss man denen denn immer wieder alles von vorn neu vorbeten?
Stadt ist mehr als Herrschaft in paternalistischem Gewand. Das Modell hat ausgedient. Hier geht es um eine Freiheit, die Kultur ermöglicht und Menschen, die sich dieser Verantwortung stellen. Die brauchen dafür auch etwas. Verlässlichkeit, Respekt und Toleranz.
Wird das versagt, dann ist Tottenham nicht mehr weit. Alle wissen das. Nur Frau Blankau nicht. Sollte sie doch mal ihre eigenen Studien lesen. Oder sollen wir ihr die vorlesen? Machen wir glatt. Kommen Sie vorbei, wir lesen Ihnen die Leviten!! Aber dann war‘s das auch mit der Nachhilfe.
Wir sind keine Bittsteller, die sich Bedingungen diktieren lassen. Wir wollen hier gestaltend leben! Und das werden wir, auch wenn der Horizont bei einigen mit dem Doppelcarport aufhört. Das reicht nicht. Stadt ist mehr! Deswegen rufen wir: Frau Blankau, das ist eine Sechs! Setzten!!!
Mehr als ein Viertel…
Gängeviertel
das Gängeviertel - eine gelebte Vision
Offenheit ist ein zentraler Bestandteil unserer Idee von einem lebhaften innerstädtischen Quartier. Denn Stadt lebt nicht durch Grenzen und Ausschluss, sie lebt von Beteiligung und Bewegung. Stadträume brauchen Freiräume. Für kulturelle und soziale Entfaltung, für neue Stadt- und Lebenswirklichkeiten. Für Menschen, die miteinander leben und arbeiten wollen. Hierfür ist das Gängeviertel eine Plattform, ein Ausgangspunkt für ein anderes Verständnis von Stadt. Dabei existieren die unterschiedlichsten Kunst- und Kulturansätze parallel und befruchten sich gegenseitig – denn Beständigkeit und Wandelbarkeit sind uns gleichermaßen wichtig. Wir wollen der ansässigen Brautkleid-Schneiderin ebenso Raum geben wie dem Istanbuler Künstler auf Studienreise. Wir wünschen uns außerdem, dass im Gängeviertel Menschen einen Ort finden, die nicht mehr zu träumen gewagt hätten, sich jemals eine Wohnung in der Innenstadt leisten zu können.
In der Zukunft wird das Viertel mehr und mehr wachsen: von einer gemeinsam nutzbaren Fotowerkstatt bis zu Grünflächen an der Speckstraße. Vom integrativen Gemeinschaftsatelier bis zur offenen Theater-Probebühne. Wir werden öffentliche Flächen mit ortsbezogenem Wohnen und Tätigsein verbinden. Das Viertel soll ein Möglichkeitsraum sein. Die Stadt soll endlich wieder von jenen gestaltet werden, die in ihr leben.
Unsere Vorstellung vom Zusammenleben ist geprägt von dem Wunsch, ein permanentes Experimentierfeld zu sein für neue Formen einer lebenswerten und gleichberechtigten Gemeinschaft. Die Bewohner sollen miteinander entscheiden, wie sie ihr Leben und ihr Umfeld gestalten wollen – in sozialen, kulturellen und ökonomischen Fragen. Wir haben Entscheidungsstrukturen entwickelt, in denen alle Aktiven ihrer Stimme Gehör verschaffen können. Grundsätzliches beraten wir in kollektiven Gremien, Spezifisches in Arbeitsgruppen. Wir schaffen Atelierräume und Werkstätten, in denen die Bewohner des Viertels ihre künstlerischen und kulturellen Vorstellungen Wirklichkeit werden lassen können: Gemeinschaftsateliers, Individualräume und temporär zu nutzende Projektwohnungen. Wir sind in verschiedensten Berufen tätig und kompetent. Wir wirtschaften solidarisch, nachhaltig und ohne unser Leben der Gewinnmaximierung zu unterwerfen.
Vereinzelung und Verwertungsdruck setzt die Initiative „Komm in die Gänge” eine kollektive Idee entgegen, die auf gegenseitiger Unterstützung beruht und sich selbst trägt. Kunst und Leben sind für uns nicht getrennt voneinander denkbar. Die Bedingungen, die uns dies ermöglichen, wollen wir schaffen und langfristig erhalten – sozial, kulturell, räumlich und ökonomisch.
Offenheit und breite Zugänglichkeit für alle
Nicht nur zentrale Räumlichkeiten und Flächen sollen für die Öffentlichkeit zugänglich, nutzbar und barrierefrei erreichbar sein, auch die Möglichkeit zur Mitwirkung an der Entwicklung ist gegeben. Das Gängeviertel wird nie ein geschlossener Kreis sein.
Selbstbestimmung und -gestaltung des eigenen Lebensumfelds
Das Gängeviertel ist Ausdruck eines anderen Verständnisses von Stadtentwicklung und gesellschaftlicher Partizipation. Deshalb muss es von den Aktiven eigenständig entwickelt und betrieben werden.
Vielfalt der Lebensentwürfe und der kulturellen Perspektiven
Das Gängeviertel befördert die Vielfalt unterschiedlichster Lebens-, Arbeits-, und Kunstvorstellungen im direkten Miteinander. Es ist ein Modell für das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Lebensentwürfen.
Gemeinschaftliches Leben ohne Verwertungsdruck und gegenseitige Verdrängung
Das Gängeviertel will ein Ort für alle Bevölkerungsschichten sein. Das „Recht auf Stadt“ soll sich niemals nach finanzieller Leistungsfähigkeit richten. Das Viertel versteht sich als Gegenentwurf zur Ökonomisierung der Innenstädte und weiterer Lebensbereiche.
Wiederbelebung des Charakters des historischen Viertels
Das Gängeviertel wird in seiner Gesamtheit ein wahrnehmbares Beispiel des letzten Stücks Arbeiterarchitektur in der Innenstadt bleiben – und damit ein steter Kontrast zu seiner Umgebung.
Räume für die Stadt
Integraler Bestandteil unserer Idee ist das Nebeneinander von Wohnen, Arbeiten und Öffentlichkeit. Wir begreifen das Viertel als Gesamtprojekt: Gewerbetreibende, Kunstschaffende, Bewohner des Viertels und die interessierte Stadtöffentlichkeit sollen das Gängeviertel mit gestalten. Räume für Kunst und Kultur, Räume für Soziales, Räume für Politisches und Räume für Wohnen und Arbeiten vor Ort.