29. November 2019 Neuigkeiten, Startseite

It's not supposed to be easy

Eine Stellungnahme zu Sexismus im Gängeviertel


Das Gängeviertel ist ein großes Projekt mit einer Vielzahl an soziokulturellen Flächen, Veranstaltungs-, Arbeits- und Wohnräumen, es besteht aus unterschiedlichen Kollektiven, Bewohner*innen, Veranstalter*innen, Nutzer*innen und Gästen. Als selbstorganisiertes Projekt stehen wir für eine emanzipatorische Raumnahme innerhalb der kapitalistischen Stadt. Zudem haben viele von uns den Anspruch, ein basisdemokratischer Ort zu sein, an dem gesellschaftliche Macht- und Unterdrückungsverhältnisse sichtbar, reflektiert, kritisiert, bearbeitet und verändert werden.


An diesem Anspruch scheitert das Projekt jedoch immer wieder. Auch hier im Gängeviertel gab und gibt es sexualisierte Gewalt in unterschiedlichen Formen – bei Partys, aber auch im Privaten. Das ist ein Problem.


Wir wissen, dass viele Menschen ins Gängeviertel kommen oder im Viertel aktiv sind, weil es hier feministische Menschen und Gruppen, Positionierungen, Praxen und Diskurse gibt. Weil wir ein alternativer Veranstaltungsbetrieb sind. Weil versucht wird, übergriffige Menschen auf Partys rauszuschmeißen. Weil unsere Räume von emanzipatorischen Gruppen genutzt werden. Weil hier in vielen Gruppen Frauen* in der Mehrheit sind, weil das Private hier als politisch verstanden wird, und weil sich Menschen hier sicherer fühlen als an anderen Orten.

Wir wissen aber auch, dass Menschen nicht ins Gängeviertel kommen oder das Projekt verlassen haben, weil sie erlebt haben, dass mit Grenzverletzungen und Gewalt nicht adäquat umgegangen wurde. Weil es auch hier Personen mit antifeministischen Haltungen gibt. Weil sie das Gängeviertel nicht als sicheren Ort empfinden. Weil klare öffentliche Positionen fehlen, weil es Mackerstrukturen gibt, und weil das Gängeviertel ein weißer und heteronormativ geprägter Raum ist.

In den vergangenen Jahren ist es sowohl innerhalb des Projekts als auch von außerhalb vermehrt zu einer Kritik unzureichender antisexistischer Praxen im Gängeviertel gekommen. Dies hat auf unterschiedlichen Ebenen zu Diskussionen, Bewegungen und Veränderungen im Viertel geführt: Es haben sich Awareness-Strukturen gebildet. Es gab professionell geleitete interne Gesprächsrunden zu sexualisierter Gewalt, mehr feministische Veranstaltungsformate sowie diskursive Interventionen und inhaltliche Workshops des Fuck-Off-Lab. Es wurden deutlichere Haus- und Projektverbote für grenzüberschreitende Personen ausgesprochen, ausdrücklicher mit unseren Gästen über das Selbstverständnis des Viertels geredet und das Bar- und Türpersonal für das Thema sensibilisiert.

Es gab unterschiedliche Versuche des Umgangs und der Verantwortungsübernahme nach einem Fall sexueller Gewalt innerhalb des Projektes. Dabei wurden viele Fehler begangen. Trotz der zeitweiligen Hilfe einer professionellen Beratungsstelle ist der Prozess noch immer konflikthaft und nicht final abschließbar. Die Person, die Gewalt ausgeübt hat, wird im Viertel nicht geduldet.

Klar soll sein: Übergriffe und sexualisierte Gewalt werden im Gängeviertel nicht geduldet und haben Konsequenzen.

Klar ist aber auch: Das Gängeviertel braucht ein umfassendes Schutzkonzept, das sowohl den Veranstaltungsbetrieb als auch den Umgang miteinander innerhalb des Projektes umfasst. Ein solches Schutzkonzept wird gerade erarbeitet. Nach Einschätzung der uns dabei unterstützenden Beratungsstelle wird dieses mehrere Jahre dauern. Die Entwicklung des Schutzkonzeptes soll transparent gestaltet sein.


Wenn ihr weitere Informationen über die Entwicklung des Schutzkonzeptes haben möchtet oder Anregungen oder Interesse an einem Austausch habt, schreibt uns gerne an: grundlegung(at)das-gaengeviertel.info. Für Unterstützung im Falle von Grenzüberschreitungen ist die Awareness-Gruppe ansprechbar unter: awareness(at)das-gaengeviertel.info.


Wir solidarisieren uns mit den Betroffenen von sexualisierter Gewalt. Patriarchale und sexistische Strukturen zu bekämpfen, wird ständige Arbeit bleiben. Wir freuen uns, wenn unsere Räume von feministischen Projekten genutzt werden. Das Gängeviertel möchte ein Ort für queerfeministische Auseinandersetzungen sein. Ein möglichst sicherer Ort, in dem sexualisierte Gewalt keinen Platz hat und bekämpft wird.

Gängeviertel, November 2019



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