DISKUSSION/VORTRAG - What is a Militant Aesthetic?

25. August 2017

Zur Politisierung der Kunst oder: Was heißt Widerstand für Kunst und Ästhetik?

Vortrag und Diskussion mit Esther Leslie und Ben Watson
Moderation: Roger Behrens und Marzena Chilewski

Walter Benjamins Forderung von 1936, gegen die Ästhetisierung der Politik eine Politisierung der Kunst zu setzen, ist bekannt und längst vollends als selbstgefällige Losung des Kunst- und Kulturbetriebs akzeptiert: Nicht mehr ob Kunst politisch ist, beschäftigt heute die beflissenen Debatten, sondern wie politisch sie ist; dass sie überhaupt irgendwie politisch ist, wenn sie es denn sein will, steht außer Frage. Alles eine Angelegenheit der Vermittlung, des richtigen Kuratoriums.
Verdrängt ist, dass Benjamin mit seiner Forderung beanspruchte, dem Faschismus etwas entgegenzusetzen; die Politik, die, überschattet vom Nationalsozialismus und Stalinismus, als gesellschaftliche Kraft versagte, sollte sich in der Kunst regenerieren - und zwar in der Avantgardekunst und der Massenkunst kulturindustrieller Prägung gleichermaßen und dies zudem auf dem neusten Stand der Technik: Film und Fotografie sind Benjamins Beispiele.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten sich die Avantgarden erledigt; eine Politik realhumanistischer Praxis war ohnehin suspendiert. Zu Herbert Marcuses Kritik der eindimensionalen Gesellschaft von 1964 gehört der Befund, dass die Wirklichkeit der spätkapitalistischen Konsumgesellschaft jede noch so radikale Kunst überbietet, weil sie ästhetische und ähnliche Bedürfnisse einfacher und leichter befriedigt. Das hat auch für die Politisierung der Kunst Konsequenzen. Die Situationisten haben sie gezogen, indem sie die Kunst der Banalität des Spektakels überließen.
Unter diesem Vorzeichen der Banalität des Spektakels ging es allerdings in den 1970ern ff. mit der Kunst erst richtig los. Mit dem Verkaufsetikett »Gegenwartskunst« versehen, hat sich seit den 1980ern schließlich ein riesiger Markt etabliert, auf dem die Ware Kunst ihren Tauschwert umso höher hängt, je lauter sie ihren Gebrauchswert mit Floskeln von Politik und Kritik anpreist.
So betrifft die Frage nach den Möglichkeiten einer Politisierung der Kunst heute nicht nur die Politik, sondern die Kunst selbst, wird zur politischen Frage, ob Kunst überhaupt nicht möglich ist. Rückgekoppelt ist das mit der Überprüfung der Strategien sei's eines ästhetischen Widerstands, sei's einer widerständigen Ästhetik. Die allgemeine Kultur ist voll mit allerhand Beispielen; es fragt sich nur, ob es gute Beispiele sind.
Das diskutieren Esther Leslie und Ben Watson (die ihre eigene Arbeit unter die Überschrift »Militant Esthetix« stellen).


Esther Leslie hat zahlreiche Bücher geschrieben, u. a. über Benjamin, Hollywood-Trickfilme und Farbchemie; sie lehrt »Politische Ästhetik« am Birkbeck College, University of London.

Ben Watson ist Autor von Büchern, u. a. über Derek Bailey, Adorno für Revolutionäre, Frank Zappa und Shit-Kicks; als Out To Lunch macht er Radio bei Resonance FM in London.

Siehe Militant Esthetix

mom artspace

Fabrique im Gängeviertel, Valentinskamp 34a, Eingang über die Brache Speckstrasse

25.08.2017, 19:00 - 21:00 Uhr

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt; eine Simultanübersetzung ist verfügbar.

In Kooperation mit der Rosa Luxemburg Stiftung Hamburg, Assoziation A, Katzenberg Verlag, Verein Gängeviertel e.V. und den Untüchtigen / Dissident Garden

Gefördert durch die Landeszentrale für politische Bildung Hamburg.

 

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