"Grüner Kapitalismus", Vergesellschaftung und indigener Widerstand

23. Mai 2012
19:30 -22:00 Uhr

Bettina Cruz  zu Repression, grünem Strom und indigenen Kämpfen um
Autonomie und Selbstverwaltung in Mexiko.


Mittwoch 23. Mai 2012
Gängeviertel 19:30 Uhr

Die Vergesellschaftung des Wohnraums ist eine der zentralen Forderungen
der Kampagne "Mietenwahnsinn stoppen" und von Recht auf Stadt Gruppen in
Hamburg. Was sich als Perspektive jenseits privaten Eigentums
hierzulande für manche utopisch anhört, ist anderswo Realität. Indigene
Gemeinden und Dörfer in Mexiko besitzen Landtitel, die allen gehören und
Gemeineigentum sind. Bedroht werden solche Formen kollektiver Teilhabe
allerdings durch "grünen Kapitalismus" und den Versuch, diese "schwarzen
Löcher" in der Eigentumsordnung als natürliche Ressource kapitalistisch
zu erschließen und verwertbar zu machen.

Bettina Cruz ist Mitglied der "Assembly of Indigenous Peoples of the
Isthmus of Tehuantepec in Defence of Land and Territory". Außerdem ist
sie Mitglied in einem bundesweiten Netzwerk gegen hohe Strompreise. Der
Isthmus von Tehuantepec ist der einzige Ort auf dem amerikanischen
Kontinent, wo es keine Bergkette zwischen Atlantik und Pazifik gibt.
Diese besondere klimatische Eigenschaft hat die Aufmerksamkeit der
Energiekonzerne geweckt, die nun ein Windrad neben dem anderen
aufstellen wollen. Auch wenn Windenergie als "saubere Energie" verkauft
wird, kann davon in Mexiko€“ keine Rede sein.

Der Aufbau der Windkraftanlagen hat starke negative Auswirkungen auf die
Umwelt. Z.B. stören die Fundamente der Windräder den normalen Verlauf
des Grundwassers und somit ist die Existenz von vielen Kleinbauern  und
-bäuerinnen gefährdet. Das Land wird zudem durch auslaufendes Öl
verseucht. Die BetreiberInnen der Windparks zahlen einen lächerlichen
Pachtpreis und der durch die Windkraft erzeugte Strom wird teuer als
"grüner Strom" in den USA verkauft, während die AnwohnerInnen
überteuerten Strom des staatlichen Konzerns CFE kaufen müssen. Bettina
und andere Aktivist_innen kämpfen gegen diese Form von Ressourcenraub.
Gegen mehr als hundert von ihnen liegen Haftbefehle vor. Sie selbst
wurde im März inhaftiert und ist dank einer groߟen Soliaktion auf
Kaution aus dem Gefängnis entlassen worden.

Windkraftanlagen werden häufig auf kollektivem Land erreichtet. Auch die
Gemeinde San Miguel in der Region Chimalapas an der Grenze zwischen
Oaxaca und Chiapas besitzt Landtitel, die Kollektiveigentum sind. In den
90er Jahren beschloss die Gemeinde, den Regenwald zu schützen und geriet
deswegen mit Holzfällern und Viehzüchtern in Konflikt. Ausserdem wurden
auf den kollektiven Ländereien immer wieder Leute angesiedelt. Dies
hatte zur Folge, dass die Gemeinde zunehmend vom Staat unter Druck
gesetzt wurde, ihr Land zu verkaufen. Die Gemeinde San Miguel betonte
immer, dass ihr Land nicht zum Verkauf stünde, sie aber gerne die neu
angekommenen Siedler_innen als "comuneros" aufnehmen würden. Somit wären
diese ebenfalls Teil der Gemeinde, die das Land kollektiv besitzt.
Dieses Angebot wurde systematisch abgelehnt.

Da die geographische Lage der Gemeinde sehr isoliert ist, wird sie
häufig angegriffen. Die Regierungen von Oaxaca und Chiapas sowie die
Bundesregierung setzen auf eine bereits erprobte Strategie: Konflikte
werden geschürt, um Repression zu rechtfertigen. Im November 2011
marschierte die Polizei mit dem Vorwand in San Miguel ein, einen
festgehaltenen Viehzüchter zu befreien. Vier Mitglieder der Gemeinde
wurden verletzt und weitere sieben wurden festgenommen. Angélico Solano
der zur Veranstaltung als zweiter Referent angekündigt war, musste
aufgrund aktueller Ereignisse leider absagen, wird aber eine Grußadresse
schicken.

Toni Negri und Michael Hardt beschreiben in Common Wealth das Gemeinsame
als Gundlage und Ergebnis gesellschaftlicher Produktion und zugleich als
Gegenstand und Perspektive sich weltweit entwickelnder Kämpfe und
Bewegungen. Auch die Frage nach Recht auf Stadt und Vergesellschaftung
ist für uns nicht nur eine lokale sondern eine globale. Vor diesem
Hintergrund wollen wir uns auf der Veranstaltung im Gängeviertel über
die Kämpfe um kollektive Flächen indigener Dörfer und Gemeinden
informieren. Welche Impulse können wir für Diskussionen und
Auseinandersetzungen in Hamburg mitnehmen und wo ist es möglich, sich
aufeinander zu beziehen. Wie lässt sich ein politischer Begriff des
Gemeinsamen gegen kapitalistische Sachzwänge und Eigentumslogiken
weiterentwickeln?

Eine Veranstaltung von www.cafe-libertad.de & Aktivist_innen aus dem
Umfeld von Recht auf Stadt

Die Rundreise wird begleitet und organisiert durch www.oeku-buero.de und
wird unterstüzt durch Kath-Fonds und Diakonisches Werk und ist vom
17.-20. Mai  zu Besuch beim BUKO in Erfurt.

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