09. Juni 2013 Neuigkeiten

Stellungnahme zum Gefahrengebiet Schanzenviertel


Du bist auf dem Weg nach Hause, es ist spät, und es ist dunkel. Ein Uniformierter stellt sich Dir in den Weg. "Kann ich mal sehen", sagt er und greift nach Deinem Rucksack. Du sagst: "Nein, können sie nicht. Um was geht es denn?" Der Uniformierte hält Deinen Rucksack fest und Dich auch. "Was liegt gegen mich vor, lass mich los, wer bist denn Du?" Du bist erschreckt und aufgeregt. Ein Wort gibt das andere, ein Gerangel, inzwischen ist ein zweiter Uniformträger da. Wenig später bist Du im Polizeigriff, Dein Rucksack offen und Dein Ausweis in deren Händen. Sie schreiben, und einer schaut hoch: "Ich erteile ihnen einen Platzverweis bis morgen Nachmittag." "Aber ehh, aber... ich wohne hier." "Verlassen Sie das Gebiet, sonst werden wir sie festsetzen."


Gefahrengebiet heißt das offiziell. Bereits mehrfach im Zusammenhang mit dem Schanzenfest ausprobiert, steht seit dem 1. Juni das ganze Schanzenviertel unter Generalverdacht und unter polizeistaatlicher Kontrolle. Obwohl sogar der Leiter der Polizeiwache 16 im Schanzenviertel anlässlich des ersten runden Tisches erklärt hatte, dass sich der Verkauf von Drogen im Florapark unter keinen Umständen "militärisch" unterbinden ließe. Und selbst wenn, würde er nur zwei Straßen weiter verschoben. Das Gefahrengebiet richtet sich also kaum gegen die Drogenszene, sondern gegen einen unbequemen Stadtteil, der sich gegen die Übernahme durch Spekulanten wehrt, die es gerne etwas stressfreier hätten. Die Vertreibung auf der Straße hat etwas zu tun mit der Vertreibung aus den Wohnungen und umgekehrt.

Ausgehandelt wurde die Maßnahme am "Runden Tisch" unter Moderation von Martin Brinkmann, Geschäftsführers der STEG – Stadtentwicklungsgesellschaft mbH. Sie ist Teil der so genannten "Rückeroberung des öffentlichen Raums", der sich die Runde verschrieben hat (vgl. diesen taz-Artikel, "Polizeirecht in der Schanze").

STEG? "Rückeroberung des öffentlichen Raums"? Mit beidem kennen wir uns im Gängeviertel bestens aus. Die kulturelle Aneignung des Viertels vor dreieinhalb Jahren war schließlich die Rückeroberung eines ganz besonderen Stücks des öffentlichen Raums in Hamburg. In dessen Folge ist das Gängeviertel nicht nur zu einem Symbol des Aufbegehrens gegen eine einseitig investorenorientierte Stadtentwicklungspolitik, gegen Gentrifizierung, für Freiräume und Selbstbestimmung geworden, sondern es wurde auch die Sanierung der Häuser erkämpft. In diesem Zuge hat die Stadt Hamburg die STEG als Sanierungsträgerin eingesetzt.

Womöglich blüht dem Gängeviertel irgendwann daher das gleiche wie dem Schanzenviertel derzeit – eine vermeintliche "Rückeroberung des öffentlichen Raums", die das genaue Gegenteil ist: Die Vertreibung von Menschen aus dem selbigen. Damit würde genau das rückgängig gemacht, was wir im Gängeviertel erkämpft haben: einen selbstverwalteten Freiraum der allen offen steht, die sich einbringen oder ihn solidarisch nutzen möchten. Damit das Gängeviertel ein Ort für alle bleibt haben wir die Gängeviertel Genossenschaft 2010 eG gegründet. Es gibt allerdings noch viel zu tun, und wir brauchen weiter die Unterstützung von Hamburgerinnen und Hamburgern durch das Zeichnen von Genossenschaftsanteilen.

Der einzige Weg ist: sich nicht vertreiben zu lassen, sich den öffentlichen Raum zurück zu erobern – und zwar von unten!

Gegen polizeiliche Gefahrengebiete!

Für selbstbestimmte Freiräume!

Gängeviertel, Juni 2013



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