Hamburger Mäzen Waitz über Kultur, Politik und Geld: „Natürlich übt man Macht aus“

Der Kunstsammler Hans Jochen Waitz hat schon bei der Hafenstraße vermittelt. Nun hat er das Kulturhaus 73 gekauft, aber ins Programm reinreden will er nicht.

Versucht Dinge, die ihn kulturell interessieren, zu ermöglichen: der Hamburger Kunstsammler und Mäzen Hans Jochen Waitz. Foto: Miguel Ferraz

taz: Herr Waitz, als Hamburger Mäzen haben Sie gerade das Kulturhaus 73 am Schulterblatt direkt neben der Roten Flora gekauft. Warum?

Hans Jochen Waitz: Falk Hocquél, der das Kulturhaus seit zehn Jahren betreibt, hat mich gefragt, ob ich mich dort engagieren kann. Denn das Kulturhaus 73 sollte an einen Menschen verkauft werden, der dafür bekannt ist, dass er sich nicht gerade für Kultur interessiert. Und so haben wir uns zusammengesetzt und uns geeinigt.

Klingt einfach. Geht es jetzt so weiter wie bisher?

Wir haben uns darauf verständigt, dass Falk Hocquél weiter der Generalmieter ist und das Haus 73 betreibt.

Was macht diese Immobilie für Sie attraktiv?

Ich will, dass dieser Ort, der in Hamburg bekannt und für junge Leute sehr interessant ist, erhalten bleibt. Dort finden kulturelle Veranstaltungen unterschiedlichster Art statt: Theater, Performance und Musik, aber auch mal Ausstellungen. Dieses Veranstaltungsprogramm soll jetzt noch stärker ausgebaut werden.

1989 haben Sie der Stadt die Fleetinsel mit ihren vier zum Teil besetzten Künstlerhäusern abgekauft. Wählen Sie die Orte nach politischen Kriterien aus?

Die Fleetinsel und das Haus 73 sind künstlerische Orte. Kategorien wie rechts oder links wären dafür eine falsche Verortung. Auf der Fleetinsel machen wir ja vor allem Theater und bildende Kunst. Und wenn dort für eine Veranstaltung kein Platz ist, kann sie künftig im Kulturhaus 73 stattfinden.

71, genannt „Jockel“ ist Kunstsammler, Mäzen und Rechtsanwalt. Heute hat er sich aus der Juristerei zurückgezogen und widmet sich der Kunst. 1989 kaufte er vier Künstlerhäuser auf der Fleetinsel und vermietet sie Künstlern wie Daniel Richter und Rocko Schamoni.

Werden Sie inhaltlich Einfluss auf dessen Programm nehmen?

Ich würde vielleicht inhaltlich anregen, was mich interessiert. Aber nicht sagen, eine Veranstaltung geht nicht, weil die zu rechts oder links ist. Das ist überhaupt nicht meine Diktion.

Wie würden Sie Ihre Rolle in der Hamburger Kulturpolitik beschreiben?

Ich versuche, Dinge, die mich kulturell interessieren, zu ermöglichen.

Gerade im Kunstfeld läuft viel über die Unterstützung oder nach Gutdünken des Bürgertums, während sich der Staat zurückzieht. Finden Sie Hamburgs Kulturpolitik demokratisch genug?

Problematisch ist es dann, wenn in einer Form Einfluss genommen wird, die Kultur in Ihren Möglichkeiten beschneidet. Aber wenn man privates Engagement so auffasst, dass es um das Ermöglichen geht, finde ich es nicht problematisch.

Sie selbst stammen aus einer Familie des alteingesessenen Hamburger Bürgertums, haben also von Haus aus die Möglichkeit, Kultur zu unterstützen ...

Ich habe die Möglichkeit und interessiere mich für kulturelle Aktivitäten.

Welche Art von Kunst unterstützen Sie?

Bei mir zuhause und auch hier in meinen Büroräumen hängt zeitgenössische Kunst. Manche Arbeiten sind bereits in den 70er-Jahren entstanden, ich bin aber auch eine Frucht der 70er- Jahre.

Sie waren in den 1980er-Jahren an der Lösung des Konflikts um die besetzten Häuser in der Hafenstraße beteiligt. In welcher Funktion?

Ich bin seinerzeit von der Stadt gebeten worden, zwischen dem Senat und den Besetzern zu vermitteln. Ich habe mich dann mit den Hafenstraßlern in Verbindung gesetzt und einen Weg des Kompromisses gefunden.

Wie haben Sie den Kontakt zu den Besetzern damals erlebt?

Ich hatte mich damals schon mit den Besetzern der Fleetinsel auseinandergesetzt und diesen Ort erworben. Die Hafenstraße war etwas ganz anderes, weil die Akteure politische Ambitionen hatten. Aber wir haben uns sehr gut verstanden, und nach den ersten Gesprächen habe ich gesagt: Wir müssen eine Lösung finden, die für alle akzeptabel ist. Nach zähen Verhandlungen haben wir dann eine Genossenschaftslösung hinbekommen, die bis heute hält.

Aber wie haben die Besetzer auf jemanden aus dem Bürgertum reagiert?

Die waren natürlich enorm kritisch, das ist aber ja auch in Ordnung. Ich bin völlig angstfrei in die Vollversammlung gegangen und habe gesagt, dass der Senat eine Lösung haben möchte, um nicht gezwungen zu sein, die Hafenstraße zu räumen. Daran wollte ich mit ihnen arbeiten.

Werden in Hamburg politische Konflikte nicht meist mit Geld gelöst?

Die Hafenstraße ist ein gutes Beispiel dafür, dass es das Bürgertum keinen Pfennig gekostet hat. Es war ein Engagement, das ich eingegangen bin. Ich bin ja von Beruf Anwalt, und als solcher hat man die Aufgabe, unterschiedliche Interessen auf einen Nenner zu bringen. Es ist natürlich reizvoll, das in einem solchen politischen Rahmen zu tun. Ich halte es für eine gute Sache, wenn der Staat – wie in der Hafenstraße – Dritte aus dem Bürgertum oder eine Person des öffentlichen Lebens zur Konfliktlösung hinzuzieht. Auch im Gängeviertel müsste man mal versuchen, die festgefahrene Situation so auf eine andere Ebene zu bringen.

Was ist aus Ihrer Sicht das Problem im Gängeviertel?

Es gibt dort seit etwa einem Jahr einen Planungsstopp. Ich habe am vergangenen Wochenende länger mit den Leuten aus dem Gängeviertel geredet. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es keinen Sinn hat, dass sie ständig mit den Behörden hin und her verhandeln. Da wäre es vielleicht gut, wenn jemand Drittes käme und gemeinsam mit den politischen Entscheidungsträgern der Stadt eine Lösung fände.

Wären Sie dazu bereit?

Nein, ich bin inzwischen zu alt dazu. Ich denke aber darüber nach, wen man vorschlagen könnte.

Was versprechen Sie sich davon?

Die Frage, wie und von wem das Gängeviertel langfristig betrieben werden, wer das Eigentum bekommen und welche Rolle die Stadt spielen soll, kann man nicht in Verhandlungen mit Einzelbehörden klären. Da muss mal einer mit einem gewissen Weitblick versuchen, eine Einigung herzustellen. Es ist kein Patentrezept, aber immer einen Versuch wert.

Aber wenn das Bürgertum in der Kulturpolitik einspringt, wo sich die Stadt raushält, leben doch alte Feudalstrukturen fort.

Dieser Kritik muss man sich natürlich aussetzen. Wo immer Sie sich exponieren, üben Sie natürlich Macht aus. Das muss man ertragen können und abwägen. Im Falle der Hafenstraße hat die Regierung seinerzeit auch vorgeschlagen, dass ich die Häuser kaufen solle. Das wäre aber völlig falsch gewesen, weil die Bewohner das politische Anliegen hatten, selbstbestimmt zu wohnen.

Einer Ihrer Mieter ist Rocko Schamoni. Überlegen Sie, auch den Golden Pudel Club zu unterstützen?

Unterstützen gerne. Ich spreche mit Rocko darüber, was man da machen kann, ob man Leute findet, die bereit sind, den Club zu retten. Ich selbst biete bei der Zwangsversteigerung aber nicht mit.

Welche Lösungen wünschen Sie sich für den Pudel?

Ich fände es gut, wenn Rocko Schamoni ihn weiter betreiben könnte. Ob er das nun persönlich macht oder in Form einer Stiftung, muss ihm überlassen bleiben. Schlecht ist jedenfalls, wenn sich zwei bekriegen und einer ein Geschäft machen will, der andere aber nicht.

Warum ist der „Pudel“ wichtig?

Das zu definieren, wäre völlig falsch. Er ist ein Kultort und für Hamburg ein wichtiger Szenemittelpunkt. Aber nicht bei allen Dingen, die zum Brennpunkt werden, sage ich: Das mache ich. Genauso wenig, wie ich mich für die Rote Flora engagiert habe. Ich interessiere mich eher für die kulturellen Dinge.

Sich für Kultur zu interessieren, heißt ja auch, sich mit dem Rahmen zu befassen, durch den Kultur ermöglicht wird. Die Hamburger Kulturbehörde fördert die Freien in der darstellenden Kunst mit 565.000 Euro, die Berliner dagegen mit zweistelligen Millionenbeträgen. Wie werten Sie das?

Das ist ein Skandal. Es ist ein großes Problem, dass wir in Hamburg für Leuchttürme wie die Elbphilharmonie sehr viel Geld ausgeben, aber die kleinen Pflänzchen mit enorm wenig Geld ausstatten. Das ist ein grundsätzlicher Fehler der Stadt Hamburg, die ja eigentlich sehr wohlhabend ist. Das führt allerdings auch dazu, dass die Miete höher und das Leben teurer ist als in Berlin. Das bedeutet, dass die Stadt, wenn sie Vielfalt erhalten will, mehr tun muss, um kreative junge Leute zu halten.

Warum vernachlässigt Hamburg das?

Weil die freie Szene zu wenig Außenwirkung hat. Die Elbphilharmonie ist offensichtlich spannender. Das ist zwar eine großartige Architektur, und es ist wunderbar, dass sie entstand, aber Hamburg ist sehr halbherzig darin, die Inhalte auskömmlich zu finanzieren.

Konzentriert sich Hamburgs parteilose Kultursenatorin Barbara Kisseler zu sehr auf Theaterförderung?

Ich glaube, dass viel Geld für alles ausgegeben wird, was leuchtturmartig ist. Neben der Elbphilharmonie gilt das für Schauspielhaus und Thalia Theater – jedoch aus meiner Sicht zu wenig für die Kunsthalle und die Deichtorhallen, die krebsen sehr. Bei allen Ausstellungen sind sie angewiesen auf Mittel der Galeristen, die die jeweiligen Künstler vertreten. Das ist keine gute Entwicklung.

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