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Hamburg Protest

Gängeviertel-Besetzer wollen bleiben

Gängeviertel Besetzung Gängeviertel Besetzung
Das Gängeviertel, der Ort des Protestes, liegt im Herzen Hamburgs
Quelle: Hamburger Abendblatt / Andreas L/Andreas Laible
Sie richten sich für Jahre häuslich im historischen Quartier in der Neustadt ein: die Besetzer des Gängeviertels. Der Vertrag mit der Stadt gibt den Künstlern Sicherheit, aber Vorrecht hat immer noch der niederländische Investor Hanzevast, der in spätestens fünf Wochen bezahlt haben muss. Sonst werden die Karten neu gemischt.

Auch die Volkshochschule Farmsen hat schon den Weg ins besetzte Gängeviertel gefunden. Die in Beigetönen gekleideten älteren Damen und Herren recken im Hinterhof die Köpfe und bestaunen das subversive Werk von rund 200 jungen Künstlern, die die Häuser seit nahezu drei Wochen besetzt halten.

Dies tun sie seit Dienstagabend völlig legal: Mit der Stadt haben sie eine Nutzungsvereinbarung geschlossen, die schon Freitag wieder ausläuft, nach Wunsch beider Vertragsparteien aber verlängert werden soll. Vorrecht auf die Häuser hat aber weiterhin der niederländische Investor Hanzevast, der noch maximal fünf Wochen Zeit hat, die letzte Rate des Kaufpreises an die Stadt zu überweisen. Tut er dies nicht, kann eine neue Lösung gefunden werden. Eine WELT-ONLINE-Anfrage beantworteten die Niederländer bislang nicht. Ilka von Bodungen, Sprecherin der Kulturbehörde: „Noch haben wir die Situation ja nicht. Man müsste aber ganz neu überlegen, wie die Künstler einbezogen werden können, sollte der Investor abspringen.“

Ob mit oder ohne Hanzevast – die Initiative „Komm in die Gänge“ erarbeitet derzeit ein Nutzungskonzept für die ferne Zukunft. „Wir wollen eine Alternative aufzeigen“, sagt Sprecher Michael Ziehl. „Dies ist nicht einfach, da wir eine heterogene Gruppe sind, aber es soll eben ein demokratischer Prozess sein.“ Wird man an der Besetzung festhalten, wenn Hanzevast bauen will? Ziehls Antwort ist vieldeutig: „Da sollte man sich einfach mal überraschen lassen.“ Klar sei, dass man nicht auf eine Ersatzfläche umziehen werde. „Komm in die Gänge“ sei ein Projekt, das originär zum Gängeviertel gehöre.

Dass man sich hier keineswegs für ein paar Wochen, sondern eher für einige Jahre einzurichten scheint, zeigt ein Rundgang. Die Häuser heißen neuerdings „Kupferdiebehaus“, „Fabrik“ oder „Butze“. In einen Raum wurde eine Halfpipe für Skateboardfahrer installiert. Für alle gekocht wird in der Volksküche, wie es sich für ein alternatives Projekt gehört, ein Wochenplan regelt den Küchendienst. Man sitzt draußen auf Bierbänken, malt, schnackt und informiert die Gäste.

Denn im Gegensatz zur legendären Hamburger Hausbesetzung in der Hafenstraße der 80er-Jahre ziehen sich Sympathiebekundungen quer durch alle Bevölkerungsmilieus. „Viele alte Damen aus Blankenese kamen schon her und waren völlig begeistert“, sagt Filmemacherin Maielin van Eilum aus Amsterdam. Die Besucher kommen aus Hamburg und Umgebung, aus Berlin und Ostdeutschland, mitunter aus ganz Europa. „Die Neugierde ist groß“, sagt Michael Ziehl.

Die durch die Vereinbarung mit der Stadt quasi rückwirkend legalisierte Eroberung der Räume sei kein Problem gewesen, so Ziehl. „Die Türen waren kaum gesichert.“ Wie echte Hausherren haben die Künstler mittlerweile ihrerseits Absperrungen vorgenommen: Auflage der Legalisierung war die Umsetzung von Brandschutz- und Fluchtwegvorschriften.

Wenn am Wochenende viele improvisierte Galerieräume mit neuen Ausstellungen wiedereröffnen, beschränkt sich der Besucherstrom also auf das Erdgeschoss. Der Eintritt ist kostenlos, doch der kommerzielle Aspekt ist nicht ganz unwichtig. „Unsere Traumidee ist, dass hier Kunst sowohl produziert als auch verkauft wird“, sagt Ziehl.

Die Volkshochschule Farmsen zieht derweil weiter. Man ist begeistert – endlich werde hier etwas Schönes gemacht. Und einige unterschreiben auf der Stelle für ein Volksbegehren – das neue politische Lieblingsinstrument der Hamburger mit seinem ebenso alternativen Von-unten-Charme.

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