Gentrifzierung: Viel Lärm um alles

Die Parteipolitik treibt das Thema Gängeviertel und das dort vorgestellte Manifest gegen die Hamburger Standortlogik um. Die GAL weiß noch nicht, wo sie steht.

Wer ist schuld? Neubau mit Bekleidungsgeschäft im alten Szeneviertel Schanze. Bild: dpa

Fein, fein: Die Stadt brodelt, und am Mittwoch wird der Streit um Gängeviertel und Kulturpolitik auch die Bürgerschaft beschäftigen. Zur aktuellen Stunde hat die CDU das Thema "Für ganz Hamburg - stadtverträgliche Entwicklung des Gängeviertels" angemeldet. Die SPD dasselbe Thema unter dem Titel: "Gängeviertel: Stadtentwicklungspolitik nach dem Motto: Alles muss raus". Und die GAL fragt: "Wer gegen wen? Kultur - Kommerz - Stadtentwicklung."

Was die Grünen betrifft, lässt sich die Frage "wer gegen wen" ziemlich eindeutig beantworten - nachdem das Manifest "Not in our name" die Partei zuletzt entzweit hatte. Jedenfalls ein bisschen.

Jens Kerstan, Chef der GAL-Bürgerschaftsfraktion, zeigte sich offen für das Anliegen der Künstler: "Sie kritisieren ihre Verdrängung aus Szene-Vierteln und machen damit auf das Problem der Gentrifizierung aufmerksam, das auch wir erkannt und benannt haben." Die GAL suche deshalb mit allen Beteiligten den Dialog - "gerade mit den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Manifests", sagte Kerstan. Die Äußerungen seines Parteikollegen Farid Müller zum Manifest deklassierte er als "Einzelmeinung", die "in Tonfall und Wortwahl nicht der Meinung der GAL-Fraktion" entspräche.

Farid Müller, kulturpolitischer Sprecher der GAL, hatte am Freitag die UnterzeichnerInnen des Manifests angegriffen. "Gerade die Kreativen, die da unterschrieben haben, haben doch in den Stadtteilen selbst dafür gesorgt, dass die Stadtteile so beliebt wurden", sagte er auf Hamburg 1. Die Kritik der Künstler nannte er "schal", ihre Grundannahmen "falsch und ein wenig scheinheilig". In dem Papier schwinge die generelle Kritik daran mit, "dass man mit Kreativität Geld verdienen könnte. Das grenzt schon an bornierten Kultursozialismus", so Müller.

Unterstützung bekamen die UnterzeichnerInnen des Manifests von der SPD. Es gehe im Gängeviertel um den Erhalt von Freiräumen und um eine Flächenpolitik jenseits einer reinen Verwertungslogik - "und damit genau um die Anliegen des Künstlermanifests, das vergangene Woche nicht ohne Grund im Gängeviertel vorgestellt wurde", sagte Andy Grote. Die Linkspartei wiederum nutzte die Äußerungen Müllers, um gegen Schwarz-Grün zu polemisieren: Nachdem die CDU das Gängeviertel anfangs einen "sozialistischen Streichelzoo" genannt habe, zeige die Reaktion Müllers nun, "dass Gedanken über Kultur außerhalb der wirtschaftlichen Verwertbarkeit auch bei der GAL schnell unter Sozialismusverdacht stehen", sagte ihr kulturpolitischer Sprecher Norbert Hackbusch.

In dem am Donnerstag vorgestellten Manifest haben zahlreiche Kulturschaffende die Standortpolitik der Stadt Hamburg kritisiert. Die "Wachsende Stadt", von der so gern die Rede ist, sei in Wahrheit "die segregierte Stadt wie im 19. Jahrhundert: Die Promenaden den Gutsituierten, dem Pöbel die Mietskasernen außerhalb".

Eine Entwicklung, für die die Künstler und Kunstschaffenden vereinnahmt worden seien: "Wir sollen für Ambiente sorgen, für die Aura und den Freizeitwert, ohne den ein urbaner Standort heute nicht mehr global konkurrenzfähig ist." Die UnterzeichnerInnen des Manifests, das das Hamburger Abendblatt in seiner Wochenendausgabe abdruckte, kündigten an, dabei nicht mehr mitzumachen. Nun sei es an der Zeit, "Orte zu erobern und zu verteidigen, die das Leben in dieser Stadt auch für die lebenswert machen, die nicht zur Zielgruppe der wachsenden Stadt gehören".

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