Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
  1. Home
  2. Print
  3. DIE WELT
  4. Hamburg
  5. Historie unter dem Wandputz

Hamburg

Historie unter dem Wandputz

13 Farbschichten gewähren im Gängeviertel Blick in Vergangenheit

Nach Verzögerung: Im April unterschreiben Architekt und Sanierungsträger den Vertrag

Angelika Fischer-Menshausen ist vorsichtig. Behutsam legt sie Schicht für Schicht der Wandbemalung frei; die Worte, um das Entdeckte zu beschreiben, wählt sie mit Bedacht. In den vergangenen Wochen untersuchte die Restauratorin mit ihrem Team 60 Wand-, Decken- und Fensterteile des Gängeviertels. Erste Ergebnisse, die auf einem Bausymposium debattiert wurden, lassen Rückschlüsse auf die wechselvolle Geschichte der Häuser zu.

So überraschten die Forscher am Valentinskamp helle Pastellfarben aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals bewohnten Bäckergesellen, Schlosser und Matrosen die engen Räume. "Die schweren Wohnbedingungen wurden durch die hellen Farben wohl erträglicher", meint Fischer-Menshausen. An der Caffamacherreihe fanden sich unter zahlreichen Schichten dunklere Töne mit detaillierten Mustern. Dort waren die Wohnungen größer und somit ohnehin heller. Außerdem waren im Historismus braune Erdfarbtöne angesagt.

Wie dreckig die Luft mitunter war, zeigt sich an der Fassade. Dort stieß das Team mitunter auf 13 Schichten - Kohleheizungen und Industrieabgase machten häufige Neuanstriche erforderlich. Epochen, in denen die Bewohner kaum Geld zum Renovieren hatten, hinterließen ebenfalls ihre Spuren: In diesen Fällen finden sich nur eine Handvoll Anstriche übereinander - also nur einer pro 30 Jahre. Der Trick: Dunkelbraun machte häufiges Nachstreichen überflüssig.

An einigen Stellen experimentierten offensichtlich lebenslustige Bewohner; sie trugen auf blauem Grund hellrote Striche mit Walzen auf. In einem Außengang findet sich eine Aufschrift: "... bei Arrest verboten". Und in der Nachkriegszeit nutzte man extrem dünne Tapeten, um die Gebäuderisse sichtbar zu erhalten - nicht aus Gründen der Ästhetik, sondern zur steten Kontrolle der Spalten. "Hier und da fanden wir alte Schichten mit tiefschwarzer Farbe", sagt Fischer-Menshausen. "Dann wundert man sich: Wer streicht seine Wohnung schon freiwillig schwarz?" Möglicherweise spielten auch die unterschiedlichen Preise der Farben eine Rolle.

Seit Freitag steht der Zeitplan für die 20 Millionen Euro teure Sanierung des Gängeviertels fest. Anfang April sollen die Stadtentwicklungsgesellschaft (Steg) und der Architekt Joachim Reinig einen Vertrag unterschreiben - die Stadt überträgt der Steg das Gängeviertel für die kommenden Jahre. Anfang 2013 beginnen die Bauarbeiten. Welche der jetzt entdeckten Wandfarben erhalten werden können, soll bis dahin erörtert werden. Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) nannte die Untersuchungen eine erste Grundlage zur weiteren Planung. Die bisherigen Arbeiten und das Symposium finanzierte die Stiftung Denkmalpflege.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant