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Hamburg (Print Regionales)

Gängeviertel-Künstler feiern Geburtstag

Vor einem Jahr wurden die Häuser an der Caffamacherreihe besetzt - SPD fordert Neuausrichtung der Flächenpolitik

Und wann kommen die Wasserwerfer? Es war Sonntag. Die Party neigte sich dem Ende zu, die Besucher gingen nach Hause. Schon am Sonnabend, dem 22. August 2009, hatten viele Hamburger die Aufforderung "Komm in die Gänge" beim Wort genommen. Auch über Nacht ließen rund 150 Künstler ihre Werke und Installationen einfach stehen, schon der Montag rückte mittlerweile näher. Allein was fehlte, waren die Wasserwerfer - die zu einer Hamburger Hausbesetzung doch eigentlich fest dazugehören.

Aus Montag wurde Dienstag. Das Gängeviertel, dieses etwas heruntergekommene historische Häuserensemble zwischen Valentinskamp und Caffamacherreihe, blieb besetzt. Lediglich Vertreter des städtischen Wohnungsunternehmens Saga/GWG und des städtischen Immobilienverwalters Sprinkenhof AG wurden vorstellig, um auf ihre Eigentumsrechte hinzuweisen - während insbesondere Kultursenatorin Karin von Welck und der ein oder andere Bürgerschaftsabgeordnete sich spontan solidarisch erklärten.

Was in den kommenden Wochen folgte, war wohl für viele Beteiligte damals nicht einmal erahnbar. Im Ringen zwischen Kultur-, Finanz- und Stadtentwicklungsbehörde setzten sich diejenigen durch, die den Symbolwert der Aktion erkannt hatten. Denn im besetzten Gängeviertel fokussierte sich die gesamte Debatte der vergangenen Jahre über "Hamburg als Marke", "Hamburg nur für Reiche" und "Hamburg im Würgegriff der Gentrifizierung". Manches davon, gewiss, war überzogen. Doch das Thema traf einen Nerv.

Nach zähen Verhandlungen kaufte der schwarz-grüne Senat vom niederländischen Investor Hanzevast einzelne Gebäude Ende des Jahres wieder zurück. Das Gängeviertel war inzwischen zum bundesweiten Feuilleton-Thema emporgestiegen. Und im Netzwerk "Recht auf Stadt" fanden sich zahllose Hamburger Initiativen zusammen, die ähnlich um Raum und Anerkennung in angrenzenden inneren Stadtteilen kämpfen.

"Das ist wohl historisch einmalig: Wir haben einen regelrechten Umbruch in der Politik bewirkt", bilanziert Initiativen-Sprecherin Christine Ebeling die vergangenen zwölf Monate. "Unter anderem ist der Senat davon abgerückt, Flächen nur noch zum Höchstgebot zu verkaufen." Auch in Zukunft werde man darauf drängen, dass Stadtentwicklungspolitik nur mit "echter Bürgerbeteiligung" stattfinde.

Auch Andy Grote, Bürgerschaftsabgeordneter der SPD-Fraktion, spricht von einer "Erfolgsgeschichte". "Wir müssen daraus nun lernen, mit zentralen öffentlichen Grundstücken anders umzugehen. Maßstab darf nicht der Verkaufserlös sein - wie beispielsweise aktuell beim Operettenhaus. Maßstab muss die zukünftige Nutzung sein."

Pünktlich zum Jubiläum brachte die Linkspartei nun eine Broschüre heraus, die die letzten zwölf Monate Revue passieren lässt. "Hier im Gängeviertel wurde gegen die architektonisch und sozial verödete Innenstadt ein Zeichen gesetzt", meint Autor Norbert Hackbusch. (Linke). Co-Autor Christoph Twickel, der in der kommenden Woche sein Buch mit dem Titel "Gentrifidingsbums oder eine Stadt für alle" veröffentlicht, meint: "Die Besetzung des Gängeviertels war nicht typisch links - denn viele verschiedene Menschen haben hier Anknüpfungspunkte gefunden. Gleichzeitig wurde aber auch eine Kapitalismuskritik laut. Und eine Kritik an neoliberaler Stadtentwicklungspolitik."

Bis Ende Oktober wollen Künstler und Stadtentwicklungsgesellschaft (BSU) einen Antrag erarbeiten, im Gängeviertel ein Sanierungsgebiet einzurichten. "Dann müsste ein externer Sanierungsträger gefunden werden", sagt BSU-Sprecher Enno Isermann. "Infrage käme die Stadtentwicklungsgesellschaft Steg." Diese ist bereits beratend an den Verhandlungen beteiligt. Sowohl Hackbusch als auch Grote sprechen sich aber gegen eine zu starke Rolle der Steg aus. Akteure müssten die Künstler bleiben. Die Initiative ist derweil ein klein wenig abgerückt von der ursprünglichen Forderung, nur die Künstler dürften selbst verwalten. "Wir erarbeiten, wie eine Lösung mit der Steg aussehen kann", sagt Ebeling.

Morgen beginnt im Gängeviertel die dreitägige Jubiläumsfeier.

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