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"Wir brauchen Ruhe an der Kulturfront"

Thalia-Intendant Joachim Lux fordert vor der Wahl Finanzsicherheit für Museen und Theater und ein klares Bekenntnis zur Kulturstadt Hamburg

Die Diskussion um die Schließung des Altonaer Museums und die Zukunft des Schauspielhauses hat Hamburg bei vielen Kulturinteressierten ein schlechtes Image beschert. Joachim Lux, Intendant des Thalia Theaters, fordert vom künftigen Senat eine deutliche Kurskorrektur in der Kulturpolitik und rät dazu, sich bei der Suche nach einem neuen Schauspielhaus-Intendanten Zeit zu lassen.

Welt am Sonntag: Herr Lux, wie lautet Ihre Wahlempfehlung?

Joachim Lux: Sorry, aber ich werde vor der Wahl keine Empfehlung abgeben. Ich bin nicht Mitglied einer Partei und habe kein Interesse, mich ständig politisch zu versenden, zu Themen wie Afghanistan, Waldsterben oder Stuttgart 21.

Welt am Sonntag: Was fordern Sie konkret vom nächsten Senat?

Joachim Lux: Erstens: Die Politik muss Finanzsicherheit über vier Jahre geben und zweitens den per Koalitionsvertrag fixierten Kulturetat an die Indizes von Preis- und Lohnentwicklung binden. So war es jahrzehntelang üblich, bis das immer mehr ausgehöhlt wurde. Zum Dritten sollte die Basis dieses Kulturetats mindestens beim Status quo ante liegen, also in der Höhe vor den jüngsten Kürzungen. Schließlich müssen die Rahmenbedingungen gestützt und gefördert werden, die dazu beitragen, dass sich Hamburg wieder als Kulturstadt begreifen kann.

Welt am Sonntag: Und wie beurteilen Sie die derzeitige Kulturpolitik?

Joachim Lux: Ich glaube, dass die Hamburger Kulturpolitik - nicht nur in den vergangenen Monaten - grundsätzlich zwei zentrale Probleme hat: Erstens hat der allgemeine Stand von Kultur nicht den repräsentativen Status, der der Stadt gut täte. Das bezieht sich nicht nur auf Theater, sondern auch auf anderen Kultursparten und auch auf Bildung. Und es hat nicht nur etwas mit Geld zu tun, sondern auch viel mit Imagebildung und Symbolfiguren sowie einem gesamten kulturellen Klima. Zweitens hat die Hamburger Kulturpolitik es nie geschafft, der Kultur eine solide Finanzierungsbasis zu geben. Auf eine solche Basis müsste man sich gleich bei Koalitionsverhandlungen einigen - ein Finanzkodex für Planungssicherheit.

Welt am Sonntag: SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz hat dies in Aussicht gestellt.

Joachim Lux: Ja, ich will ihn persönlich auch nicht infrage stellen. Aber wir kennen doch alle den Unterschied zwischen den Aussagen vor und nach der Wahl. Falls man sich aber auf die genannten Parameter einigen kann, ist mit Sicherheit Ruhe an der Kulturfront, und alle können durchatmen. Äußerungen wie, die Kultur müsse "auch mal einen Beitrag leisten", sind übrigens absurd. Sie tut dies schon permanent. Preis- und Lohnsteigerungen eingerechnet, sinkt der Kulturetat seit Langem deutlich.

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Welt am Sonntag: Wie kann sich Hamburg als Kulturstadt begreifen?

Joachim Lux: Ich glaube, dass eine Stadt wie Hamburg nicht einfach mit verschiedenen Titeln wie "Wachsende Stadt" oder "Umwelthauptstadt" hantieren kann. Das sind Labels, die man wechselt wie das Hemd. Dadurch gewinnt man nicht an Identität. Wenn man Kulturstadt sein will, muss das langfristig gepflegt werden und von unten wachsen. Dazu gehört ein Humus und kulturelle Pflege durch Politik.

Welt am Sonntag: Wie ist es aktuell um das kulturelle Image Hamburgs bestellt?

Joachim Lux: Der Streit im Herbst um die Kürzungen hat viele Millionen Euro Imageschaden gekostet. Viele Kulturinteressierte sagen, nach Hamburg brauchen wir ja gar nicht mehr zu fahren. Dabei ist das absoluter Unsinn. Aber es ist mühsam, gegen ein schlechtes Image anzuarbeiten. Eigentlich ist Hamburg bereits eine Kulturstadt mit Thalia, Schauspielhaus, Oper und Museen, die nicht schlecht sind. Und die Auseinandersetzung um das Gängeviertel hat den innerstädtischen Zusammenhalt doch gestärkt. Eigentlich ist das Glas halb voll, man muss nur etwas draufgießen, nicht nur finanziell, sondern in der Art, wie man dafür einsteht. Auf lange Sicht bin ich übrigens sehr für die Elbphilharmonie. Vorausgesetzt, sie bekommt einen realistischen Betriebshaushalt. Da herrscht ja derzeit auch noch Vogel-Strauß-Politik.

Welt am Sonntag: Wenn es um die Strahlkraft über Hamburgs Grenzen hinausgeht: Hat Bürgermeister Christoph Ahlhaus dann nicht recht, wenn er sagt, die Kulturschaffenden sollten mehr auf Zuschauerzahlen achten?

Joachim Lux: Wir werden dafür subventioniert, auch Dinge aufzuführen, die nicht unbedingt auf ein großes Publikum treffen. Das gehört zum Kulturauftrag. Wenn man zu sehr ökonomisiert, verliert die Kultur ihren Inhalt. Andererseits sind die Zeiten ja schon lange vorbei, dass die Künstler mit ihrem Zeug völlig am Publikum vorbei produzieren. Man muss aber ein Klima erzeugen, das die Menschen an kulturelle Errungenschaften heranführt.

Welt am Sonntag: Es fällt auf, dass Sie schon nach eineinhalb Jahren in der Stadt vehement für die Kultur sprechen, nicht nur für das Theater. Müssen Sie die Kollegen hier aufwecken?

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Joachim Lux: Ich fühle mich nicht berufen, andere zu belehren, aber ich engagiere mich. Wie ich genau zu dieser Rolle kam, weiß ich selbst nicht genau, offenbar stieß ich in ein Vakuum. Ich habe zehn Jahre in Wien gelebt, das Wunderbare ist dort, dass alle ins Theater und Konzert gehen und alle auf der Straße über Kultur sprechen. Ich wünsche Ähnliches in Hamburg, und dass die Kulturschaffenden viel mehr zusammenarbeiten.

Welt am Sonntag: Verlassen Sie sich auf den vermeintlichen Spar-Frieden nach dem Kulturgipfel?

Joachim Lux: Erstens hat die Politik die Sparpläne ja nicht zurückgezogen, sondern nur gestreckt oder erst einmal ausgesetzt. Zweitens weiß man ja nun gar nicht, welche Koalition übernimmt. Wenn nach der Wahl wieder Feuer unterm Dach sein sollte, halten wir alle zusammen, darauf ist Verlass. Aber wir Kulturinstitutionen müssen eventuell auch ohne den Bürgermeister mal einen Kulturgipfel von unten machen - zwei Mal im Jahr wäre schön.

Welt am Sonntag: In Wien sprechen alle über Kultur. Aber wie ist es in Hamburg? Wie sehr beeinflussen kulturpolitische Fragen die individuelle Wahlentscheidung?

Joachim Lux: Marginal, denke ich. Aber dort, wo Kultur und Bildung zusammenhängen, kann es schon eine größere Rolle spielen. Gerade in einer Stadt wie Hamburg, wo Handel und Ökonomie so wichtig sind, fragen sich am Ende des Tages vielleicht viele Menschen, was außer Geschäftserfolgen, Tennis und Fernsehen noch möglich ist. Kultur bietet die Möglichkeit, wieder zu einer Feier- oder Versammlungsgemeinschaft zu finden.

Welt am Sonntag: Hat die Kultur nicht auch ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn man sich die Subventionen pro Platz anschaut und sieht, wer diesen nutzt?

Joachim Lux: Kultur ist nicht wirklich teuer. Aber wenn sich nur eine bestimmte Schicht selbst alimentiert, gibt es auf Dauer in der Tat ein Glaubwürdigkeitsproblem. Deshalb müssen wir Eintrittspreise nicht heben, sondern senken. Dann kommen auch andere Schichten und Nationalitäten. Außerdem ist Jugendarbeit wichtig, wir müssen Studenten ins Haus holen und Menschen mit Migrationshintergrund. Die Politiker müssten ein solches Klima erzeugen, dass man etwa an der derzeit leider noch virtuellen Hamburger Museumsmeile nicht vorbeikommt und dass die Elbphilharmonie vor Musikfans platzt - was auch für die Belebung der Hafencity wichtig ist. Der Gestaltungsspielraum ist immens.

Welt am Sonntag: Kultursenator Stuth macht seine Arbeit und sondiert mögliche neue Schauspielhaus-Intendanten. Sollte er vor der Wahl auch noch entscheiden?

Joachim Lux: Schwierige Frage. Offenbar sucht man nun für die Spielzeit 2013/14. Eigentlich hat man also alle Zeit der Welt. Mit Hysterie sollte man das nicht entscheiden, sondern mit Gelassenheit. Nicht der Zeitpunkt ist entscheidend, sondern ob es ein gutes Ergebnis gibt.

Das Gespräch führte Olaf Dittmann

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