Jetzt scheint der Weg frei für eine Sanierung des historischen Gebäudekomplexes, der seit Monaten von Kreativen besetzt wird.
Noch bis heute Mittag will die Kulturbehörde warten, um auch tatsächlich sicherzugehen, dass es am Freitagabend keinen Buchungseingang gab. Doch Insider rechneten schon seit Langem damit, dass sich die Holländer von dem ehrgeizigen Projekt verabschieden würden: Zu spärlich flossen die Informationen zuletzt aus dem Nachbarland, zu schlecht sah die Lage am Finanzmarkt für Hanzevast aus. Das Unternehmen aus Hilversum engagiert sich unter anderem in der kriselnden Sparte der Schiffsfinanzierungen.
Das Ringen um die Nutzung des Viertels geht nun in die nächste Runde. Seit den Neunzigerjahren war um die Sanierung des Quartiers zwischen Kaiser-Wilhelm-Straße, Caffamacherreihe und Valentinskamp verhandelt und gestritten worden. Es ist das letzte Stück des historischen Gängeviertels in der Innenstadt. Doch während rundherum geplant, gebaut und umgenutzt wurde, blieb es beim enggassigen Quartier bei den Plänen. Hackesche Höfe auf Hanseatisch sollten hier entstehen.
Die jüngste (geduldete) Besetzung durch die Initiative „Komm in die Gänge“ brachte neuen Zündstoff für Diskussionen: Die Künstler würden das Quartier gern dauerhaft für Handel, Gewerbe und eben Kunst nutzen. Eine gemischte Nutzung mit Wohnen, Gewerbe und einem Hauch Boheme sahen auch die Pläne der Investoren vor.
Für Bezirksamtsleiter Markus Schreiber haben die Künstler durch ihren „kreativen Protest“ den „Umschwung hinbekommen“. Sie seien „sehr gut vernetzt“ und hätten „breite Schichten der Bevölkerung, Medien und Politik auf ihre Seite ziehen können“, so Schreiber.
Nun wollen die Kulturbehörde und der Bezirk Mitte eine neue Lösung für das Gängeviertel suchen. Die Hausbesetzer sollen dabei eng in die Planung einbezogen werden.
Unzweifelhaft ist: Noch ein Winter ohne Nutzung wird die alte Bausubstanz empfindlich schädigen. So plädiert Bezirksamtsleiter Markus Schreiber dafür, dass die Stadt die Sanierungsaufgabe schnell selbst in die Hand nimmt. „Unternehmen wie die Saga/GWG oder die Steg haben damit Erfahrung“, sagt Schreiber. Und wenn man ein Sanierungsgebiet ausschreibe, gebe es noch staatliche Zuschüsse. Darüber hinaus hat sich aber auch eine Reihe von Investoren beworben, die das Projekt gern von den Niederländern übernehmen würden.
Die Künstler selbst haben bereits ein eigenes Entwicklungskonzept für das Areal vorgestellt. Wie die Künstlerinitiative „Komm in die Gänge“ vor Kurzem mitteilte, handle es sich dabei um ein städtebauliches, soziales und kulturelles Leitbild. Das Konzept sieht vor, dass das Gängeviertel auf Basis der Selbstverwaltung wieder belebt wird. Seit über einem Monat halten Künstler Teile des Viertels besetzt, um einen drohenden Abriss zu verhindern und stattdessen Räume für Kunst einzurichten.
Der Plan sieht konkret vor, dass etwa 60 Prozent der 7000 Quadratmeter großen Fläche als Wohnraum dienen sollen. 20 Prozent sollen für gewerbliche Aktivitäten zur Verfügung stehen. Das soziokulturelle Herz soll die in der Mitte des Quartiers liegende Fabrik bilden, die Raum für Projekte, Veranstaltungen, Ausstellungen und Gemeinschaftsateliers bieten soll.
Die rund 250 Künstler haben nach eigenen Angaben seit August zahlreiche Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und Filmvorführungen veranstaltet, die bisher von mehr als 10?000 Gästen besucht wurden.