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Hamburg (Print Vermischtes)

Neue Wendung im Streit um das Gängeviertel

Chefreporter WELT AM SONNTAG
Investoren-Zahlung doch noch möglich - Stadt will ansonsten gemeinsam mit Künstlern ein neues Nutzungskonzept erarbeiten

Bei den Künstlern im Gängeviertel herrscht Ungeduld: Der niederländische Investor Hanzevast scheint die Zahlungsfrist bis zum letzten Moment auszunutzen. Bis gestern war nicht klar, ob sich das Unternehmen aus dem umstrittenen Geschäft zurückzieht. Bis zum Nachmittag ging noch kein Geld aus den Niederlanden auf dem Konto der Hamburger Landeskasse ein. Es könne aber noch mit einer Überraschung gerechnet werden, hieß es.

Der historische Gebäudekomplex wird seit Monaten von Kreativen besetzt, die gegen den Verkauf des Gängeviertels sind. Noch bis heute Mittag will die Kulturbehörde warten, um auch tatsächlich sicherzugehen, dass es am Freitagabend keinen Buchungseingang gab. Insider hatten schon seit Langem damit gerechnet, dass sich die Holländer von dem ehrgeizigen Projekt verabschieden würden: Zu spärlich flossen die Informationen zuletzt aus dem Nachbarland, zu schlecht sah die Lage am Finanzmarkt für Hanzevast aus. Das Unternehmen aus Hilversum engagiert sich unter anderem in der kriselnden Sparte der Schiffsfinanzierungen.

Seit den Neunzigerjahren war um die Sanierung des Quartiers zwischen Kaiser-Wilhelm-Straße, Caffamacherreihe und Valentinskamp verhandelt und gestritten worden. Es ist das letzte Stück des historischen Gängeviertels in der Innenstadt. Doch während rundherum geplant, gebaut und umgenutzt wurde, blieb es beim enggassigen Quartier bei den Plänen. Hackesche Höfe auf Hanseatisch sollten hier entstehen.

Die jüngste (geduldete) Besetzung durch die Initiative "Komm in die Gänge" brachte neuen Zündstoff für Diskussionen: Die Künstler würden das Quartier gern dauerhaft für Handel, Gewerbe und eben Kunst nutzen. Eine gemischte Nutzung mit Wohnen und Gewerbe sehen auch die Pläne der Investoren vor.

Für Bezirksamtsleiter Markus Schreiber könnten die Künstler durch ihren "kreativen Protest" auch den "Umschwung hinbekommen" haben. Sie seien "sehr gut vernetzt" und hätten "breite Schichten der Bevölkerung, Medien und Politik auf ihre Seite ziehen können", so Schreiber.

Sollte die Zahlung nicht eingehen, wollen Kulturbehörde und Bezirk Mitte eine neue Lösung für das Gängeviertel suchen. Die Hausbesetzer sollen dabei eng in die Planung einbezogen werden.

Unzweifelhaft ist: Noch ein Winter ohne Nutzung wird die alte Bausubstanz empfindlich schädigen. So plädiert Bezirksamtsleiter Markus Schreiber dafür, dass die Stadt die Sanierungsaufgabe schnell selbst in die Hand nimmt. "Unternehmen wie die Saga/GWG oder die Steg haben damit Erfahrung", sagt Schreiber. Und wenn man ein Sanierungsgebiet ausschreibe, gebe es noch staatliche Zuschüsse. Darüber hinaus hat sich aber auch eine Reihe von Investoren beworben, die das Projekt gern von den Niederländern übernehmen würden.

Die Künstler selbst haben bereits ein eigenes Entwicklungskonzept für das Areal vorgestellt. Wie die Künstlerinitiative "Komm in die Gänge" vor Kurzem mitteilte, handle es sich dabei um ein städtebauliches, soziales und kulturelles Leitbild. Das Konzept sieht vor, dass das Gängeviertel auf Basis der Selbstverwaltung wieder belebt wird. Seit über einem Monat halten Künstler Teile des Viertels besetzt, um einen drohenden Abriss zu verhindern und stattdessen Räume für Kunst einzurichten.

Der Plan sieht konkret vor, dass etwa 60 Prozent der 7000 Quadratmeter großen Fläche als Wohnraum dienen sollen. 20 Prozent sollen für gewerbliche Aktivitäten zur Verfügung stehen. Das soziokulturelle Herz soll die in der Mitte des Quartiers liegende Fabrik bilden, die Raum für Projekte, Veranstaltungen, Ausstellungen und Gemeinschaftsateliers bieten soll.

Die rund 250 Künstler haben nach eigenen Angaben seit August zahlreiche Ausstellungen, Konzerte, Lesungen und Filmvorführungen veranstaltet, die bisher von mehr als 10 000 Gästen besucht wurden.

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