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Hamburger Gängeviertel: "Das ist keine Kulturpolitik"

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Hamburger Gängeviertel Konflikt zwischen Besetzern und Investor spitzt sich zu

Es sah gut aus für die Besetzer des Hamburger Gängeviertels: Der Investor, der das historische Ensemble durch lukrative Neubauten ersetzen will, hatte Geldprobleme. Jetzt zahlte er eine fällige Rate - droht das Aus für die traditionsreiche Kulisse?

Seit fast zwei Monaten halten rund 200 Künstler und Kreative das Hamburger Gängeviertel besetzt - jetzt gehen die Auseinandersetzungen um den historischen Gebäudekomplex in die nächste Runde. Denn der holländische Investor, der vor drei Jahren die sanierungsbedürftigen Backsteinhäuser gekauft hatte, ist aus der Versenkung aufgetaucht.

"Der Investor Hanzevast hat die für den Verkauf des Gängeviertels fällige Rate fristgemäß gezahlt" heißt es in einer knappen Pressemitteilung der Hamburger Kulturbehörde. "Und damit hat er signalisiert, dass er an seinen Entwicklungsplänen für das Gängeviertel festhalten und den Vertrag auch weiterhin erfüllen will."

Noch im Sommer sah es so aus, als habe die Wirtschaftskrise den Immobilienfonds kalt erwischt. Man werde das Projekt nicht ohne einen Partner umsetzen können, ließen die Holländer verlauten. Und so zeigte sich Hamburgs Kultursenatorin Karin von Welck denn auch überrascht: "Alle Anzeichen wiesen erstmal in eine andere Richtung", erklärte von Welck am Dienstagvormittag.

Senat in der Kritik

In der Hansestadt ist das Gängeviertel mittlerweile ein Politikum: Der Investor will ein Neubauensemble mit Eigentumswohnungen und Büros bauen, von der denkmalgeschützten Substanz blieben dann nur ein paar dekorative Fassadenelemente übrig.

Im Zuge der Besetzung durch die Initiative "Komm in die Gänge" war der Senat stark in die Kritik geraten: "Wegen des schnellen Geldes" habe Hamburg das letzte Überbleibsel der historischen Viertel geopfert, die sich einst vom Hafenrand bis in die Innenstadt zogen, kritisierte etwa Regisseur Fatih Akin.

Malerstar Daniel Richter engagierte sich als Schirmherr der Besetzung: In Hamburg sei "jede ästhetische oder soziale Überlegung sofort hinfällig", wenn es um Geld ginge, so der Künstler. Selbst das konservative "Hamburger Abendblatt" forderte, die Stadt müsse "endlich umdenken", wenn es um den Verkauf öffentlicher Grundstücke ginge.

Goldener Handschlag hinter den Kulissen?

Bis gestern sah es so aus, als ginge der Streit ums Gängeviertel gut aus. Die Kulturbehörde hatte durchblicken lassen: Falls der Investor seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme, könne man das Ensemble gemeinsam mit der Künstlerinitiative entwickeln.

Ist das jetzt hinfällig? Rückt demnächst ein polizeiliches Räumkommando an, um die Besetzung zu beenden? Von Welck wies solche Spekulationen zurück und verwies darauf, dass bis Montag noch eine dritte Rate zu bezahlen sei. Hanzevast war für einen Kommentar nicht zu erreichen; die Besetzer lassen verlauten: "Wir wollen bleiben. Es geht uns um dieses Viertel, mit einem Alternativangebot lassen wir uns nicht abspeisen."

Die Senatorin wollte nicht ausschließen, dass es auch Alternativen zum Neubau geben könnte - was darauf hindeutet, dass man hinter den Kulissen über einen goldenen Handschlag verhandelt.

Für den angeschlagenen Investor ist es jedenfalls sinnvoll, den Zahlungsverpflichtungen auch dann nachzukommen, wenn man nicht vorhat zu bauen: Dann müsste Hamburg nämlich eine saftige Konventionalstrafe zahlen, um aus dem Vertrag aussteigen zu können.

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