Kommentar Hamburger Gängeviertel: Da ist Musik drin

Der Senat Hamburgs will aufgrund der Proteste das Gängeviertel rückkaufen. Schwarz-Grün wird sich nun nicht länger hinter Schlagworten verstecken können.

Endlich mal eine gute Nachricht aus Hamburg: Der Senat der Stadt will das Gängeviertel vom niederländischen Investor Hanzevast rückkaufen. Das historische Gebäudeensemble in zentraler Lage war Ende August von Kulturschaffenden besetzt worden. Diese wandten sich mit der Besetzung gegen den Gentrifizierungsdruck auf die letzten noch nicht durchkapitalisierten Orte der Innenstadt. Insbesondere der Szenebezirk St. Pauli gerät immer stärker unter Investorendruck. Die Clubs der Subkulturen sollen dort den immergleichen TownHouses, Shoppingcentern und Kreativbauten weichen.

Dagegen hat sich eine Allianz von linker Subkultur und arrivierten Stadtplanern gebildet, die sich als relativ mobilisierungsfähig erweist. Auch notorisch gelangweilte Feuilletonredaktionen schmückten sich letzte Woche mit dem Abdruck des Manifests "Not in our Name, Marke Hamburg!" Dies bringt nun vor allem bei den in der Hansestadt mit der CDU regierenden Grünen Bewegung rein. Grüne Lokalpolitiker sprachen zwar im Zusammenhang subkultureller Künstleraktivisten abfällig von "Kultursozialisten". Doch weiter oben steuert man gegen: Die von Spöttern als Koalition der Operngänger bezeichnete alternativ-konservative Stadtregierung scheint schließlich auf bestem Wege, sich ein neues Hafenstraßenproblem zu schaffen. Der Symbolgehalt in Hamburg ist nicht ohne: hier 322 Millionen für die neue Elbphilharmonie und dort keine 3 oder 4 Millionen Euro für den Erhalt historischer Gebäudesubstanz und einer nichtökonomistischen Nutzung.

In der Hamburger Auseinandersetzung ist Musik drin. Die engagierte Szene ist gut organisiert, und akzeptable Ausweichquartiere existieren nicht. Wem gehört die Stadt, wie wollen wir leben? Schwarz-Grün wird sich so nicht länger hinter den dürftigen Schlagworten von "ökonomischer Rationalität" verstecken können. Moderne Stadtplanung kann anders.

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Andreas Fanizadeh, geb. 1963 in St.Johann i.Pg. (Österreich). Leitet seit 2007 das Kulturressort der taz. War von 2000 bis 2007 Auslandsredakteur von „Die Wochenzeitung“ in Zürich. Arbeitete in den 1990ern in Berlin für den ID Verlag und die Edition ID-Archiv, gab dort u.a. die Zeitschrift "Die Beute" mit heraus. Studierte in Frankfurt/M. Germanistik und Politikwissenschaften.

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