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Hamburg (Print Vermischtes)

Die Stadt kauft das Gängeviertel zurück

Chefreporter WELT AM SONNTAG
Hamburg zahlt 2,8 Millionen Euro an Investor Hanzevast - Neue Planung soll Künstler einbeziehen

Im Hamburger Haushalt reihen sich die Löcher aneinander, aber für diese Baustelle war noch Geld übrig: Für 2,8 Millionen Euro kauft die Stadt das von Künstlern besetzte Hamburger Gängeviertel zurück. Es gehörte dem niederländischen Investor Hanzevast, der das lange vergessene Stiefkind der Stadtentwicklungspolitik mit Zustimmung aller Behörden zu einer Art Hackescher Höfe umbauen wollte. Der Senat werde nun mit der Künstlerinitiative "Komm in die Gänge" über eine neue Nutzungsvereinbarung reden, teilte die Baubehörde mit. "Jetzt haben wir die Möglichkeit, ein neues Konzept für das Gängeviertel zu verwirklichen", sagte Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk (GAL). Mehr als 200 Künstler haben die leer stehenden Häuser seit August besetzt, um die denkmalwürdigen Gebäude zu retten und auf die Raumnot von Kreativen hinzuweisen.

"Selbstverständlich werden wir bei den weiteren Planungen die Vorstellungen der Künstler einbeziehen. Unser Ziel ist es, das Gängeviertel zu einem lebendigen, kreativen innerstädtischen Quartier weiterzuentwickeln", sagte Kultursenatorin Karin von Welck (parteilos). Im Januar werde mit allen Beteiligten das weitere Verfahren zu künftigen Planungen für das Gängeviertel besprochen. Bis Ende März sollen die Eckpunkte für ein städtebauliches Konzept, die architektonische Umsetzung, beteiligte Akteure und mögliche Finanzierung geklärt sein. Um die Gebäudesubstanz zu sichern, sollen die Häuser nun winterfest gemacht werden.

Hanzevast wollte aus dem historischen Viertel ein teures Szene-Quartier mit Büros, Geschäften und Wohnungen machen. "Wir freuen uns natürlich sehr. Wir haben aber auch damit gerechnet, dass das passieren muss", sagte die Sprecherin der Künstlerinitiative, Christine Ebeling. "Wir hoffen nun, unser Konzept in naher Zukunft umsetzen zu können." Es sei ein großer Erfolg, dass die Behörden der Stadt auf eine Initiative wie diese reagierten. "Darüber hinaus sehen wir es auch als Erfolg an, dass das Thema mittlerweile über die Hamburger Grenzen hinweg diskutiert wird." Die Künstler hoffen, dass die Entscheidung positive Auswirkungen auf die anderen Initiativen gegen die sogenannte Gentrifizierung hat.

Auch die SPD in der Bürgerschaft begrüßte die Einigung und forderte, der Senat müsse sich nun vom Plan der erneuten Veräußerung an einen anderen Investor verabschieden. "Der Senat darf denselben Fehler nicht zum dritten Mal machen", sagte Stadtentwicklungsexperte Andy Grote. Kein Investor habe an dem Interesse, was dort von fast allen gewollt werde: ein möglichst vollständiger Erhalt der historischen Bausubstanz und die Schaffung günstiger Flächen für Wohnen, Kunst und Gewerbe. Sanierung und neues Nutzungskonzept müssten deshalb von der Stadt in eigener Regie und Verantwortung - etwa über die Wohnungsbaugesellschaft Saga - umgesetzt werden. Am Abend traten Schauspieler des Thalia Theaters in den Räumen des Gängeviertels auf.

Mit dem Kaufvertrag endet ein monatelanges Gerangel um die Zukunft des Viertels. Vor wenigen Wochen erst rief Hanzevast das Verwaltungsgericht an, um Nutzungsvereinbarungen mit den Künstlern zu untersagen. Schon damals hieß es, dass es Hanzevast nicht mehr um das Gängeviertel ging, sondern nur noch um einen möglichst guten Rückkaufpreis.

Noch in erster Instanz war der niederländische Investor mit seinem Antrag gescheitert. Auch blieb eine Einigung zwischen den Parteien bei einem Gütetermin Anfang November aus. Hanzevast wollte ursprünglich einen Wohn-und-Arbeits-Komplex in dem 7000 Quadratmeter großen Quartier errichten.

Ende August hatte die Kulturbehörde jedoch der Initiative "Komm in die Gänge" zugesichert, die Häuser vorerst nutzen zu können. Seither hatten mehr als 250 Künstler unter Schirmherrschaft des Malers Daniel Richter Veranstaltungen zum Erhalt des Areals organisiert und die Öffentlichkeit mobilisiert. Täglich sind Ausstellungen, Cafés und Ateliers geöffnet.

Hanzevast selbst wollte sich gestern nicht zum Vertrag äußern. In der Vergangenheit ließen die Niederländer aber durchblicken, dass auch sie unzufrieden mit ihrem Gegenüber seien. Das Unternehmen habe vier Konzepte in vier Jahren vorlegen müssen, weil immer eine Behörde intervenierte.

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