Stadtentwicklung: Die Steg und die Kunst

Die Stadtentwicklungsgesellschaft mischt sich in das Programm der Galerie Genscher ein - und legt ganz nebenbei offen, welchem Zweck Kunst zu dienen hat.

Müssen sich vielleicht bald auch mit der Steg auf einen gemeinsamen Kunstbegriff einigen: Künstler im Gängeviertel. Bild: dpa

Die Stadtentwicklungsgesellschaft Steg hat Streit mit ihrem Mieter, der Galerie Genscher im Karoviertel. Die Stadtentwickler ärgert, dass die Galerie die von ihr verwalteten Räume in der Marktstraße 138, auch als Schokoladenfabrik bekannt, für den "Recht auf Stadt"-Kongress nutzte. Die Steg sieht darin eine missbräuchliche Nutzung der Räumlichkeiten. Der Galerie seien diese ausschließlich für künstlerische Zwecke zur Verfügung gestellt worden, nicht aber für politische, so das Argument.

Bei den inkriminierten Veranstaltungen der Galerie Genscher handelte es sich vorwiegend um Diskussionen, an denen außer Künstlern auch Garten-.Aktivisten und andere Gentrifizierungsgegner teilnahmen. Es ging um Themen wie die "ökonomische Verwertung öffentlicher Räume in der neoliberalen Stadt". Nicht wenige Gentrifizierungskritiker geben der Steg eine Mitschuld an den Aufwertungsprozessen, gegen die sie sich wehren.

Der Konflikt hat mittlerweile über Hamburg hinaus Aufmerksamkeit erregt. 50 Wissenschaftler und Künstlerinnen forderten in einem offenen Brief von der Steg eine Erklärung. Sie sehen im Vorgehen der Stadtentwickler "einen eklatanten Versuch, künstlerische Arbeit inhaltlich zu zensieren" und verweisen auf die im Grundgesetz verankerte Freiheit der Kunst, die politisches Engagement ausdrücklich einbezieht.

Die in dem Offenen Brief gesetzte Frist für eine Reaktion ließ die Steg vergangene Woche verstreichen. Auch auf taz-Anfrage will sie sich zu der Sache nicht äußern.

Auf den Vorwurf der missbräuchlichen Nutzung hatten die Galeriebetreiber den künstlerischen Zweck der Veranstaltung erläutert - und sich auf Joseph Beuys' Idee der "sozialen Plastik" berufen. Ohnehin sei jeder Einzelne durch sein Sprechen und Denken in gesellschaftliche Gestaltungsprozesse involviert, so die Galeriebetreiber. Aufgabe der Kunst sei es, diesen kontinuierlichen Prozess bewusst zu machen.

Auf diese Argumentation reagierte die Steg lapidar: "Ihre Antwort soll wohl geistreich und witzig sein. Ist sie aber nicht." Die Antwort der Galeristen bestätige nur den Verdacht der missbräuchlichen Verwendung.

Mit Sorge verfolgt Christine Ebeling, Sprecherin des Gängeviertels, den Konflikt. Derzeit arbeitet die Steg im Gängeviertel mit Künstlern an der Sanierung und einem Entwicklungskonzept. Ein anderer Partner habe auch nie zur Diskussion gestanden, da die Stadt Hamburg ausschließlich mit der Steg zusammenarbeite, sagt Ebeling. Zwar hätten sie bisher nur positive Erfahrungen mit der Steg gemacht. Dennoch stelle sich die Frage, warum das politische Engagement von Künstlern im Gängeviertel erwünscht sei, in der Marktstraße aber nicht.

Geht es der Steg also um die Kunst? Die Künstlerin und Kuratorin Anke Haarmann bezweifelt das. Als "auffällig" bezeichnet die Mitunterzeichnerin des Protestbriefes dagegen einen anderen Zusammenhang: Vor einigen Wochen war die Galerie Genscher Ort für ein Gründungstreffen der Initiative "Karo Genosse". Die Genossenschaft sieht eine selbstverwaltete Entwicklung von städtischem Eigentum durch die Mieter vor.

Das würde bedeuten, dass die Steg die Künstler nur vorschiebt, um ihre Geschäftsinteressen gegen unliebsame Konkurrenten durchzusetzen. Es ist genau diese Stelle, wo die Erweiterung des Kunstbegriffs ihre Grenzen hat.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.