Newsticker
Schlagzeilen, Meldungen und alles Wichtige
Die Nachrichten heute: Newsticker, Schlagzeilen und alles, was heute wichtig ist, im Überblick.
Zum Newsticker
Hamburg (Print Regionales)

"Ich bin jetzt Anwalt für Kultur und Medien"

Kultursenator Reinhard Stuth über sein politisches Comeback und seine Pläne bis 2012

DIE WELT: Herr Stuth, Sie haben mit Ihrer Ernennung ein politisches Comeback hingelegt. Haben Sie damit gerechnet?

Reinhard Stuth: Ich war völlig überrascht.

DIE WELT: Wie hat Bürgermeister Ahlhaus seine Anfrage begründet?

Stuth: Wenn ein designierter Bürgermeister Sie fragt, sieht er, glaube ich, keine Notwendigkeit, zu begründen. Wir kennen uns ja auch, seit er nach Hamburg gekommen ist und haben uns immer gut verstanden.

DIE WELT: Sind Sie als Staatsrat 2009 im Unfrieden aus der Kulturbehörde geschieden?

Stuth: Der Abschied kam relativ plötzlich, es gab zwischen Karin von Welck und mir Unterschiede in der Chemie. Das ist aber etwas völlig Normales. Als mir Ole von Beust die Entscheidung eröffnet hat, habe ich gesagt: "Dann ist das so." Man weiß als Politiker, dass ein Amt von einem auf den anderen Tag enden kann. Meine Wertschätzung für die Arbeit von Karin von Welck ist aber ausgesprochen groß. Sie hat unglaublich viel für die Kultur herausgeholt.

DIE WELT: Die WELT hat kürzlich einen Brief vom Personalrat der Kulturbehörde aus Ihrer Zeit als Staatsrat veröffentlicht, der sich kritisch mit Ihrer Personalführung auseinandersetzt. Haben Sie damals Fehler gemacht?

Stuth: Mit Sicherheit habe ich Fehler gemacht, die macht jeder. Es gab sicher eine unzureichende Kommunikation. Ich selber wurde seinerzeit durch den Brief völlig überrascht, es hatte keinerlei Vorgespräche gegeben. Mein erster Anruf nach meiner Wahl galt daher der Personalratsvorsitzenden. Ich komme jetzt in einer neuen Rolle in dieses Haus und möchte offen auf die Mitarbeiter zugehen, die ich sehr schätze, weil es in diesem Haus mehr Menschen gibt, die sich dem Gegenstand ihrer Aufgabe mit Leib und Seele verschrieben haben, als ich das sonst je erlebt habe.

DIE WELT: Nun sind anderthalb Jahre bis zur Wahl eine kurze Frist. Haben Sie schon eine Prioritätenliste?

Anzeige

Stuth: Ich komme nicht mit dem Anspruch, möglichst viel zu ändern, sondern werde mir alles in Ruhe ansehen, um zu einem eigenen Urteil zu gelangen. In den nächsten drei Wochen möchte ich zum Beispiel alle Museen besuchen.

DIE WELT: Bekommt der Kunsthallen-Direktor Hubertus Gaßner nach dem Streit mit Ihrer Amtvorgängerin einen neuen Vertrag?

Stuth: Zunächst mal möchte ich sagen, wie sehr ich Herrn Gaßner schätzte. Er ist eine Bereicherung für diese Stadt, und insofern hoffe ich, dass er in dieser Stadt bleibt. Zum Vertrag kann ich noch nichts sagen.

DIE WELT: Zum ersten Mal wird gerade drei Monate lang in Hamburg in keinem großen Museum eine Ausstellung eröffnet. Wäre es nicht sinnvoll, die Museen wieder finanziell so auszustatten, dass sie eigene Projekte auf die Beine stellen können, statt aus einem Fonds Geld beantragen zu müssen?

Stuth: Denkbar ist alles, und ich habe den Eindruck, dass Karin von Welck diese Entscheidung aus der Not heraus getroffen hat. Damit sind wir bei einem umfassenderen Thema: dem Stellenwert der Kultur in dieser Stadt. Es ist oft genug beschrieben worden, dass es hier an Wertschätzung mangelt. Da bin ich allen privaten Initiativen und Stiftern dankbar. Den Stellenwert von Kultur zu erhöhen, bleibt aber auch eine staatliche Aufgabe. Kultur ist ein Motor der Innovation, der Erneuerung. Sie hilft der Wirtschaft und anderen Bereichen, nach neuen Wegen zu suchen. Diese Kraft ist für die ganze Stadt wichtig. Davon muss ich die Kollegen im Senat und die Mehrheit in der Bürgerschaft überzeugen. Aber, um auf Ihre Frage zurückzukommen: Natürlich ist es wünschenswert, dass die großen Museen große Ausstellungen machen können.

Stuth zur Elbphilharmonie: Kosten wichtiger als Termin

Stuth: Der neue Kultursenator über Hamburgs neues Wahrzeichen, das Gängeviertel und weitere Baustellen seiner Behörde

DIE WELT: Wann wird eigentlich die Elbphilharmonie fertig, und wann wird der Sanierungsstau am Deutschen Schauspielhaus behoben?

Anzeige

Reinhard Stuth: Was das Schauspielhaus angeht, so sind wir in den Haushaltsberatungen sehr weit, die Maßnahmen für die Ober- und Untermaschinerie abzusichern. Die Elbphilharmonie muss ins ruhige Fahrwasser. Da gibt es drei Punkte: Kosten, Qualität und Termine. Für mich sind die Kosten dabei wichtiger als die Termine. Die Kosten liegen weiterhin im Rahmen des finanziellen Nachtrags von 323 Millionen im Jahre 2008. Es ist zu Verzögerungen gekommen, die aus unserer Sicht Hochtief zu verantworten hat. Daraus ergeben sich aus unserer Sicht Gegenforderungen von 200 000 Euro pro Tag Verzögerung, gedeckelt bei 40 Millionen Euro. Wir treffen alle Vorbereitungen, diese Forderungen geltend zu machen.Bei der Qualität machen wir keine Abstriche, sie ist für uns nicht verhandelbar.

DIE WELT: Streben Sie an, die Ausgaben für Kultur wie in Berlin oder Düsseldorf zu erhöhen, auch um in der Konkurrenz zu bestehen? Ist in Hamburg ein Paradigmenwechsel denkbar, um zu sagen, wir nutzen jetzt mal die Möglichkeiten, die wir haben mit unserer Kunsthalle, unseren Theatern, unserem Ballett?

Stuth: Die jetzige Zeit ist nicht besonders geeignet, für diesen Gedankengang, den ich persönlich sehr gut nachvollziehen kann, Mehrheiten zu besorgen. Berlin hat als Hauptstadt immer gute Möglichkeiten durch Bundesmittel. Aber das Ziel ist, die Kultureinrichtungen in Hamburg so aufzustellen, dass sie nicht den Großteil ihrer Zeit damit verbringen, ihr Überleben zu sichern. Ich war vorher Rechtsanwalt, parteiisch für meine Mandanten. Jetzt bin ich als Anwalt für Kultur und Medien parteiisch für diesen Bereich.

DIE WELT: War Ihre Einstellungsbedingung, dass Sie kein Sparkommissar sind?

Stuth: Man stellt einem Bürgermeister keine Bedingungen - das macht man nicht. Übrigens habe ich den Eindruck, dass Herr Ahlhaus auch persönlich großes Interesse an der Kultur hat. Der Gedanke, dass Kultur ein Wirtschaftsfaktor ist, ist dem Bürgermeister sehr geläufig.

DIE WELT: Kulturschaffende haben mit der Vereinnahmung als Wirtschaftsfaktor häufig ein Problem. Wie sehen Sie das Verhältnis?

Stuth: Das wird sich ja hoffentlich nie ändern. Wenn Künstler ein bequemes Verhältnis zu staatlichen Autoritäten haben, dann muss ich ja als Repräsentant des Staates anfangen, unruhig zu werden. Natürlich müssen wir im Dialog sein.

DIE WELT: Nun gibt es grüne Kulturpolitik und die der CDU, wo kommen Sie dem Koalitionspartner entgegen?

Stuth: Es gibt nur gute und weniger gute Kulturpolitik, und da ist bürgliche, christdemokratische Kulturpolitik auch nicht anders als grüne.

DIE WELT: Wie sehen Sie die Entwicklung im Gängeviertel?

Stuth: Das Problem ist gelöst, da geht es um Detailfragen. Ich bin den Menschen dankbar, die dort Unruhe hineingebracht haben. Das hat ein Umdenken in der Stadt bewirkt, so haben wir nicht bald im nächsten Stadtteil den nächsten Fall.

DIE WELT: Sie sind nicht nur der erste CDU-Kultursenator seit 1946, sondern auch seit 18 Jahren der erste Kultursenator aus einer Partei, glauben Sie, das ist von Vorteil?

Stuth: In Zeiten, wo leider sehr viel über Sparen geredet werden muss, ist es, glaube ich, von Vorteil, wenn jemand kommt, der sich wirklich in der Politik auskennt, der nicht nur die Kultur-, sondern auch die Haushaltspolitiker kennt.

DIE WELT: Was sind Ihre persönlichen kulturpolitischen Schwerpunkte?

Stuth: Da wäre zum einen der Denkmalschutz. Der erhält unser kulturelles Erbe, das wir alle ständig sehen und erleben. Ein zweiter Schwerpunkt ist die Frage der Bedeutung der digitalen Welt für Kunst und Kultur, ich nenne mal das Beispiel der E-Books. Das dritte Thema ist die Integration von Menschen aus anderen Ländern auch in unsere Kultur hinein.

DIE WELT: Haben Sie persönlich künstlerische Talente oder Ambitionen?

Stuth: Ich schaue gern Kunst an und sammle das eine oder andere Werk.

Interview: Jörn Lauterbach, Stefan Grund

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant